Irre Klotztypenauflösung

Vor ein paar Tagen hatte ich gefragt, was sich wohl hinter »Irren Klotztypen« verbergen mag. Leider kam keine der Kommentatorenvermutungen auch nur in die Nähe der Wahrheit. Leider? Zum Glück? Man weiß es nicht..

Tatsächlich geht es um ein neues Nintendo-DS-Spiel: Jenga. Ja! Jenga. Die Mikadovariante mit den Holzklötzchentürmen, die irgendwann umfallen, wenn man beim Rausziehen zu doll wackelt. Über Sinn und Zweck einer virtuellen Variante dieses lustigen Spiels, das ja gerade vom Anfassen lebt, mag man streiten.

Normales Jenga umzusetzten, war den Entwicklern jedenfalls zu wenig, so dass sie neben den bekannten und bekannt unirren Holzklötzen noch viele weitere tolle irre Klotztypen integriert haben. Leider (oder zum Glück?) kann ich da nur raten: Vielleicht blinkende, widerhakenbesetzte, kaugummiartige, nationalhymnensingende oder gar plötzlich wegteleportierende, die zu Zombies werden?

Ich fand jedenfalls den Kommentar von SethSteiner ganz treffend:

Also erstmal, natürlich das Spiel grenzt an absoluter Lächerlichkeit, es ist skuril soetwas auf dem DS zu bringen, aber ist deswegen diese Art der Kritik verständlich? Ich denke nicht, die Welt lebt von diesen Skurilitäten, dem anderen und lustigen verrückten Sachen

PREY – Indianer, Aliens, oben, unten.

Computerspiele, genauer: Ego-Shooter. Dumpfes Ballern, soziophobische Nerds, deren Welt nur aus LAN-Parties und Speedruns besteht. Naserümpfen. Kulturuntergangsgeruch. Nicht wegzudiskutieren ist allerdings die Tatsache, dass sich das Genre als Königsklasse der Computerspiele großer Beliebtheit erfreut, den technischen Forschtschritt in Sachen Computergrafik entscheidend vorantreibt und sich die Entwicklungskosten und Umsätze von Top-Titeln mittlerweile in den Regionen großer Hollywood-Produktionen bewegen. Für das häufig als bester Ego-Shooter gehandelte Half-Life 2 werden 40 Mio. $ geschätzt; für die deutsche Produktion Crysis, deren langerwartete erste öffentliche Demoversion heute veröffentlicht wird, sind 15 Mio. € veranschlagt. Der Killerspiel-Debatte zum Trotz (oder auch gerade deswegen?) sind Ego-Shooter Massenphänomen und zentralwerdende Bestandteile der heute gesellschaftsprägenden Pop-Kultur.

Die Frühzeit: Spiele, Kunst und Doom

Als ich mal jung war und die ersten Ego-Shooter aufkamen, hatte ich bereits meine auch jetzt noch aktuelle Sicht auf Computer-Spiele: Technische Faszination, Interesse an»großen Momenten«, dem Gefühl, in andere Welten einzutauchen, wie sie etabliertere Medien wie Belletristik oder Spielfilme schon lange in ihren jeweils spezifischen Formen bieten – und Interesse an den Unterschieden und Gemeinsamkeiten dieser Kunst- und Unterhaltungsformen. Richtig: Auch Kunst. Gute Computerspiele bringen ihre eigene Magie mit und sagen oder bedeuten mehr als tote Monster, eroberte Landstriche oder gerettete Planeten. An einzelnen Titeln bin ich fast nie hängengeblieben, sondern erfreue mich stärker daran, Unterschiedlichstes auszuprobieren und als »hab ich gesehen, hab ich erlebt, nächstes bitte!« abzuhaken. Interessanterweise haben mich meist nur die Single-Player-Elemente interessiert, vielleicht weil sie näher an Filmen und Romanen kleben und die von ihnen erzählten Geschichten klassische kollektive Erinnerungen schaffen können.

Doom war ein Meilenstein, damals, 1994. Wirkt die Urversion heute grafisch wie narrativ und spielerisch öde, konnte das Spiel doch damals all das hervorrufen, was auch heute Ego-Shooter ausmacht: Adrenalin-Ausstoß, Flow- und Erfolgserlebnisse, wiedererkennbare Räume, Gänge, Gegenden und im besten Fall, wie besonders gelungen bei Half-Life 2: intensiv miterlebte und -gestaltete Geschichten.

Descent

[youtube:http://www.youtube.com/watch?v=mzy7V8QHhvk]

Besonders begeistert hat mich 1995 Descent. Der erste 3D-Shooter, der »3D« vollständig ernst genommen hat. Mit einem kleinen Raumschiff fliege ich durch Minen auf Asteroiden und Planeten, kann mich um alle Achsen drehen und weiß nach spätestens 3 Minuten nicht mehr wo oben und unten ist, aus allen Richtungen kommen Gänge und Gegner. Das ganz fundamentale Konzept »Schwerkraft«, das uns von allererster Sekunde an prägt und uns Halt, Sicherheit und Orientierung gibt, gilt da nichts. Dass ein Computerspiel es schafft, mich so sehr zu verunsichern, ein permamentes Gefühl von Orientierungslosigkeit und Zweifel an meiner Wahrnehmung hervorzurufen, rückt es weit nach oben in der Liste bemerkenswerter Medienerfahrungen.

Prey

[youtube:http://www.youtube.com/watch?v=HzX_EGDxBkg]

Zum Glück war meine heutige CD-Sucherei nicht gänzlich erfolglos, habe ich mir doch schlussendlich Prey von einem der bekannten Budget-Spiele-Stapel geschnappt und gespannt nach Hause getragen. Vor kaum einem Jahr von der Kritik hochgelobt, war es wohl kein so großer Erfolg, wenn es jetzt schon für 10€ zu haben ist. Dabei lohnt es sich: Das Spiel vereint atmosphärisch gelungene Alien-Umgebung mit indianischen Mythen und endlich mal wieder einem wilden Durcheinander von Oben und Unten, Hier und Dort. Die Rahmenhandlung ist genreüblich: Aliens bedrohen Menschheit, Held rettet heldenhaft mit allerlei Waffen, am Schluss sind (vermute ich jetzt mal) Aliens tot und Menschheit gerettet. Das Spiel überrascht dann allerdings mit drei ungewohnten Elementen:

Spezielle Stege lassen mich die Wände entlang um die Ecke laufen und plötzlich ist oben unten oder links rechts und die üblichen Taktiken, vorsichtig um die Ecke zu luken fruchten nicht, weil die Gegner irgendwo an irgendeiner Wand kleben können.

Ab und zu stehen Alice-im-Wunderland-artige Spiegel in der Gegend herum, die ich durchschreiten kann und dann ganz woanders bin. Oder aber im gleichen Raum, aber an der Decke. Oder hinter mir selbst.

Weil ich ein Indianer bin, kann ich meinen Körper verlassen und meine Seele auf Wanderschaft schicken. Die kann auskundschaften, sonst unüberwindliche Hindernisse durchdringen und von der anderen Seite oder anderen Wand oder oben oder unten einen Schalter betätigen, so dass ich weiterlaufen kann, wenn ich zu mir selbst zurückgekehrt bin.

Das ganze ist mit interessanten, aber fairen Rätseln garniert, oft finde ich mich in einem Raum wieder, aus dem es erstmal keinen Ausweg zu geben scheint, bevor ich nicht um die Ecke denke oder die Wände als Fußboden betrachte oder diese stimmig designten halborganischen Dinge, die überall herumliegen und an eXistenZ erinnern, für eigene Zwecke nutze. Magischster Moment bislang (der auch im Video oben zu sehen ist, aber selbst erlebt werden muss, natürlich): Ich springe durch ein Portal und lande verkleinert auf einem Stein, der vorher in der Mitte des Raumes in einer Vitrine zu sehen war. Der Stein hat eine eigene Schwerkraft und ich laufe auf ihm wie auf einem winzigen Planeten herum.

Fazit

Tipp also: 10€, die sich lohnen, wenn du Ego-Shooter nicht grundsätzlich doof findest und neugierig bist, was gut und überraschend gestaltete Computerspiele mit dir anstellen können. USK: ab 18. Das ist auch richtig so, denn richtig sortieren können muss man das Erlebte und die im Medium Computerspiel immer noch vorherrschende Ballerei schon.