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LMSe und Portfolios und so
Nach der Pause weiter mit den Parallelsessions. Nach etwas Verwirrung darüber, ob Truls Bohm es rechtzeitig geschafft hat, oder nicht, steht der Fronter-Verkaufsmanager schließlich doch vor dem Publikum. Fronter ist Sponsor der Tagung und der Vortrag darum extra gut beäugt. Alle sollen Standards unterstützen, fordert Bohm und weiß: Die eigene Plattform kann höchstens einen Teil des Life-Long-Learnings begleiten. Für den Rest fordert er nach den „Managed Learning Environments“ (LMS mit Schnittstellen) jetzt „Personal Learning Environments“, um Ergebnisse sammel- und austauschbar zu machen. Als fünfte Generation sieht er Arbeitsumgebungen an, die komplett im Netz liegen. Online-Demo geht wegen technischer Probleme nicht und so bleibt Fronter blass. Wenn ich die Dienste befreien will, kann und muss: Warum und was bringt mir der Fronter Desktop? Die Strategie wirkt etwas halbgar, zumal Drag & Drop allein die Kunden nicht befriedigen wird.
Frids Sarcevichs stellt anschließend preiswerte Selbstbaulösungen für ansonsten teure Hardware vor, wie sie in lettischen Schulen erfolgreich angewandt werden konnte. Interactive Whiteboards (WiiMote-Technik), Thermometer und Sound Labs. Kann man alles selbst basteln! Mein Favorit: Die ausgeschäumten Ballons, in die Lautsprecher eingebaut werden. Bücher hat das Team um Frids auch geschrieben. Einfach mal die Augen aufhalten nach kreativen Open-Source-Hardware-Lösungen.
Nach der Kaffeepause: Muna Agha und Andrea Payrhuber. E-Learning an der sozialwissenschaftlichen Fakultät der Uni Wien. Die haben nämlich ein Problem: Viel zu viele Anfänger für das erste Studienjahr. (Man munkelt, Fluten von Deutschen auf NC- und Gebühren-Flucht seien mit schuld.) Lösung: Das zweite Semester erreicht nur gut die Hälfte der Willigen. Die Auszusiebenden werden in Einführungsveranstaltungen jetzt mit elektronischen Mitteln versorgt: E-Tutoren betreuen Arbeitsgruppen, stellen ePortfolio-Aufgaben und bereiten auch die frühen Prüfungen vor. Klingt hart, ist aber gut für alle: Weniger Unwillige, die keinen rechten Weg finden, weniger Illusionierte im weiterführenden Studium und letztlich: Für alle klare Vorstellungen von den Inhalten des Studiums.
Johannes Maurek berichtete anschließend von MOSEP: „More Self Esteem with E-Learning Portfolios“. Ziel des Projektes war es, benachteiligten und bildungsfern Herangezogenen Wege zu eröffnen, an der modernen Wissensgesellschaft teilzuhaben. Nach der Vorstellung aller Projektpartner und der Ziele bleib leider nur noch wenig Zeit, das eigentliche Projekt vorzustellen. So blieb als Eindruck: Projekt beendet. Wenige Klassen mit hohem Aufwand mit ePortfolios ausgestattet. Lehrer und Schüler finden: Das war nützlich! Note to myself: Mahara anschauen!
Ana Rurac versuchte sich zum Schluss der Session an einem Vortrag entlang der These, dass ePoretfolios überflüssig und Blogs stattdessen der Weg seien. Diese Argumentation ist ungefähr wie „Warum Diesel? Ich fahr VW.“ Elgg ist ein Blog und Portfolios sind hingegen immer komplett durchstrukturiert. Vielleicht habe ich den Knackpunkt auch übersehen – bei dunkelvioletter Schrift auf mittelviolettem Hintergrund kann das passieren.
Abschließend Workshop I: „Konstruktivistisches Lernen mit Moodle.“ Konstruktivistisch fiel aus. Das stattdessen erläuterte Einloggen als Student hätte ich auch noch aus der Anleitung erschließen können. Bleibt wie immer bei Moodle die Frage: Is that all? So what??
Enter Homo Zappiens – Opening and Keynote Speeches
Jede gute wissenschaftliche Konferenz startet bekanntlich damit, dass die Hymne des Gastgeberlandes gespielt wird und alle ehrfurchtsvoll aufstehen, um, wenn nicht mitzusingen, so doch andächtig zuzuhören. Leider gab heute morgen während der lettischen Hymne das Präsentationsnotebook seinen Geist auf und musste ersetzt werden. So konnte die Hymne erst nach den ersten Grußworten vollständig abgespielt werden. Die europäische gab’s noch hinterher. Herbert Eile, ecoMedia-Netzwerkkoordinator, bemühte dann in seiner kurzen Ansprache in österreichischer Sprache (simultan übersetzt ins Lettische und Englische) auch gleich das Kosmopolitische. Er begrüßte „bildungspolitische Entscheidungsträger aus 24 Nationen“ und forderte die Teilnehmer auf, die Ergebnisse der Konferenz „als Botschaft hinauszutragen in den Kontinent Europa“. Bestens eingestimmt auf Großes also, konnten die gut 100 Teilnehmer dann drei Keynotes lauschen.
Andris Ambainis, sympathischer Quantencomputer-Experte und „despite his youth“ offensichtlich lettischer Starwissenschaftler machte den Auftakt mit Überlegungen zu „New Technologies and the Future of Computing“. Wer regelmäßig die c’t-Artikel zu Fortschritten bei Quantencomputern liest, konnte kaum Neues erfahren und auch als allgemeine Einführung in das Thema fehlte ein wenig Struktur. Er konnte aber gut vermitteln: In 20 Jahren könnten Computer ganz anders aussehen als heute und ganz andere Dinge mit Leichtigkeit erledigen – und damit ist nicht bloß neue Apple-Oberflächen (physisch wie virtuell) gemeint. Auf die Frage, WAS denn der einfache Mann von der Straße davon haben würde, wusste er vor allem diplomatisch zu antworten: „Bislang haben sich immer Ingenieure gefunden, die mit mehr Rechenleistung etwas anzufangen wussten.“ Ansonsten hat er mich von Stimme, Akzent und Tonfall her sehr an Peter Sellers als Dr. Strangelove erinnert, vor allem als er als Beispiel die heute übliche verschlüsselte Überrtagung von Kreditkartennummern, z.B. zu Amazon, anführte und grinste: „So if we had a quantum computer, we could break all codes.“
Etwas näher ans Zentrum der Konferenzthemen führte Thomas Maier, Teacher Portal Manager des European Schoolnet. Er berichtete von einer großen Metastudie zum Thema „The ICT Impact Report – A Review of Studies on ICT Impact on Schools in Europe“. Also: Was bringt das ganze Computerzeug in den Schulen eigentlich? Zunächst attestierte er sowohl quantitativen (Wie soll man genau messen, welchen Einfluss ICT neben anderen Einflussgrößen hatte?) als auch qualitativen (Da wird gefragt, wie Lehrer, Eltern und Schüler den Einfluss von ICT in der Schule einschätzen. Stimmt das mit der Realität überein?) Vorgehensweisen methodische Schwächen, konnte aber keine abschließende Lösung präsentieren. Ihr Review berücksichtigt beide Welten. Die Ergebnisse sind insgesamt interpretationsbedürftig. Klar: Es werden Effekte beobachtet, auch positive. Sehr stark z.B. in Grundschulen, vor allem im Muttersprachenunterricht. Whiteboards machen in Englisch, Mathe und Naturwissenschaften besser, aber nur im ersten Jahr. Alle sehen einen positiven Einfluss von ICT. Ich finde: Da muss man nochmal einen genauen Blick in das Review werfen. Maier berichtete weiter, dass 90% aller europäischen Lehrer ICT zur Unterrichtsvorbereitung nutzen, sich deren ICT-skills drastisch verbessert hätten, aber neue pädagogische Konzepte kaum Anwendung finden. Dabei träfen sie auf eine Generation von Schülern, die Blogs, Podcasts und AV-Videokonferenzen ganz selbstverständlich nutzen – im Gegensatz zu Lernplattformen, die kein Schüler verwendet. Höchstens als Dateiarchiv. Nutzergenerierter Content sei die Zukunft, schließt Maier und fordert weitere große Studien und die Aufnahme neuer Kompetenzen in Curricula und Tests.
Die neue Generation von Schülern stand auch im Mittelpunkt von Mikael Anderssons (Swedish Agency for Fleixble Learning) Vortrag mit dem Titel „Enter Homo Zappiens – a new era for ICT and learning“. Er sieht zwischen heutiger Eltern-/Lehrer- und Schülergeneration einen tieferen Graben als zwischen früheren aufeinanderfolgenden Generationen. Schüler seien „digital natives“, Lehrer „digital immigrants“, die den selbstverständlichen Umgang mit neuen Technologien im Gegensatz zu ihren Kindern als etwas Fremdes erleben. Der „Homo Zappiens“ ist gleichzeitig extremer Individualist (What’s in it for me?) und Kollektivist, der Dinge mit anderen teilen will (the MeWe-Game). Außerdem ist er Dividualist, der mühelos zwischen selbstgewählten Identitäten hin- und herswitcht (Pick a ‚me‘). Seine Generation sei völlig von Pippi Langstrumpf korrumpiert. Hätten seine Eltern die nonkonformistische Pippi noch für einen vermittelnswerten Gegenentwurf gehalten, ginge die heutige Elterngeneration bei der Erziehung davon aus, dass die Pippi-Sicht die Norm sei. Zudem hätte sich die berühmte Maslowsche Bedürfnispyramide verschoben. Die unteren Stufen – körperliche Bedürfnisse und das Bedürfnis nach Sicherheit – seien der heutigen Schülergeneration als vollkommen selbstverständlich erfüllt gar nicht mehr im Bewusstsein. Das rückt andere Bedürfnisse wie die nach sozialer Anerkennung und Selbstverwirklichung viel stärker in den Mittelpunkt. Das sei nicht per se „schlimm“, sondern logische Folge unserer Erziehung. Da Schritt zu halten wird schwierig, weil die ICT-Kompetenz mittlerweile auf der „falschen“ Seite liegt. Nicht auf der des Lehrers, sondern der des Lerners. Aufgabe des Lehrers aber sei Bildung zu vermitteln (in Abgrenzung zu Ausbildung – diesen sprachlichen Unterschied gibt es auch im Schwedischen), denn Information ist ungleich Wissen, sondern Wissen ist Information, multipliziert mit Verarbeitungsfähigkeit. Die habe Schule als Rahmen herzustellen.
Danach war die Pause wohlverdient.
Beobachtungen am Rande
Ganz in der Nähe des Strandes habe ich diesen Obststand entdeckt. 00-24 bedeutet: Immer geöffnet. Falls jemand nachts mal ne Melone braucht.
Nur ein paar Meter weiter ein einladendes öffentliches Toilettenhäuschen. Besonders hübsch: Die Kennzeichnung für Männchen und Weibchen.
Über lettische Toiletten kann ich überhaupts nichts Negatives sagen. Im Gegenteil, alles prima sauber und modern. Das Innere dieses Toilettenhäuschens konnte dann aber mit westlichen Standards nicht ganz mithalten:
Der Strand war fast menschenleer. Fast. Ein paar Leutchen hatten sich – in gebührendem Abstand – niedergelassen und einige ließen es sich dann gleich richtig gut gehen:
Kinos sehen in Riga genauso aus wie in Osnabrück, Sydney oder Alaska. Eines habe ich aber gefunden, das etwas Besonderes zu bieten hatte: Handbemalte Filmplakatwände.
Sonnenküste!
Die Wolken von gestern sind verschwunden und die Konferenz geht morgen erst richtig los. Also: Ab ans Meer. Erstmal in den Zug. Aber statt nach Jurmala, überall gerühmter Badeort mit toller Bäderarchitektur und vielen Touristen habe ich den Weg nach Norden gewählt. „Saulkrasti“ heißt zu deutsch „Sonnenküste“ und genau so präsentierte sich der unendlich lange Sandstrand auch.
Schön war’s!
Rent-a-Scharfschütze
So ein Auto würde in Deutschland sicherlich für reichlich Aufsehen sorgen:
Da bekommt das Wort „Überfallkommando“ eine ganze neue Bedeutung, möchte man meinen und gleich zum Hörer greifen, um bei den ewig lauten Nachbarn endlich mal aufräumen zu lassen.
Aber nein, kein privater Sicherheitsdienst, kein Abenteuerpark, kein Söldnerverleih. Die lettische Armee versucht so, um Nachwuchs zu werben.
P.S.: Das Wort „Dienests“ ist wohl ein Lehnwort aus dem Deutschen. Kein Wunder, schließlich hatten die Letten jahrhundertelang mit deutschbaltischen Gutsherren zu tun.
Skulpturen, Teil 1
In Form von Ausstellungen, ganzen Museen oder Mahnmalen ist die Zeit der sowjetischen Okkupation und Annexion in Rīga sehr präsent. Ohne weitere Worte erstmal nur ein Photo von heute dazu:
Verlorn ist daz slüsselin
Rīga hat viele Parks und viele Wasserflächen in den Parks. Darüber führen Fußgängerbrücken. So weit, so hübsch.
Auf einer dieser Brücken ist mir im Augenwinkel ein Vorhängeschloss am Brückengeländer aufgefallen. „Witzig,“ dachte ich, „da hat jemand das Fahrrad mitgenommen, das Schloss aber dagelassen.“ Bruchteile von Sekunden später sprangen mir mindestens ein Dutzend weiterer Schlösser ins Auge.
„Das kann kein Zufall sein!“ schlussfolgerte ich und siehe da:
Jeder kennt den Brauch Verliebter, Herzen und Namen in Baumrinden zu schnitzen. Das hier ist eine moderne Variante: Offensichtlich gravieren oder ritzen Verliebte in Rīga Ihre Namen – gern mit Datum – in ein Vorhängeschloss und ketten das an eine Fußgängerbrücke im Park.
Eine halbe Stunde später kam ich an eine Brücke, bei der ich die Schlösser nicht übersehen hätte:
Jetzt bleibt nur noch die Frage, was mit den Schlüsseln passiert. Pragmatisch könnte man sagen: Jeder der beiden bekommt einen und wer keine Lust mehr hat, macht das Schloss halt wieder weg. Aber mein romantisches Herz ist sich doch ziemlich sicher, dass in einem pathetischen tief erfüllten Akt die Schlüssel gemeinsam ins Wasser geworfen werden. Auf dass die Verbindung ewig halte.
Vielleicht sollten wir Katrina und Markku fragen, die haben später sogar noch ein zweites Schloss drangemacht.
Und schließlich heißt es ja schon bei den guten alten Minnesängern:
Du bist beslozzen
In minem herzen:
Verlorn ist daz slüsselin:
Du muost immer drinne sin.
Labi Apetīte
So. Die Füße tun weh, der Regen wird schlimmer, Blitze erscheinen in der Ferne. Also keine großen Aktionen mehr, heute, sondern ab ins Hotel. Vorher bin ich noch in einen Bäckerladen gelaufen und habe mir ein paar prima frische lettische Piroggen und/oder Bliny besorgt (so genau hab ich den Unterschied noch nicht verstanden).
Das tolle an den Dingern ist ja, dass man nur erahnen, aber nicht so genau wissen kann, was drin ist. Ob süß oder deftig, z.B. Bestimmt wäre das den Schildern im Backwarenladen zu entnehmen gewesen – allein, mein lettisch reicht dafür nicht aus. Zwei habe ich gerade schon probiert, eines war Aprikose, eines Spinat. Und beides sehr lecker.
Dazu gibt’s ein hoffentlich leckeres Dosenbier aus der Minibar (immerhin zum akzeptablen Preis von 1 Lats 50), das allerdings etwas … seltsam aufgemacht daherkommt:
Rīga calling
Heute nachmittag, kurz vor 4. Nachdem Germanwings noch ein leckeres Mineralwasser mit Mango-Chili-Geschmack spendiert hat, ging’s frisch, fromm, fröhlich, frei dank öffentlichem Nah- und privatem Zufußverkehr zum Hotel. Kaum angekommen, auch schon im Internet. Das gibt’s in Rīga quasi an jeder Telefonzelle.
Leider spielt das Wetter noch nicht so richtig mit, aber ich mache mich jetzt trotzdem auf dem Weg Richtung Altstadt, die sich ja immerhin zum UNESCO-Weltkulturerbe zählen darf.
Hier noch ein aktueller Blick aus dem Hotelzimmer im 9. Stock: