„PDF aus dem Wiki“ steht auf der Titelseite der aktuellen c’t 18/2008 (ab morgen im Handel). Dahinter verbirgt sich ein gleich fünfseitiger Artikel von Martin Gieseking und Oliver Vornberger über ein Projekt des Zentrums für Informationsmanagement und virtuelle Lehre der Uni Osnabrück. Die Ursprünge reichen zu der Frage zurück: Wie entsteht eigentlich optimalerweise ein Vorlesungsskript, das zugleich auch online verfügbar ist? Prof. Vornberger hatte dazu bereits seit langem mit einem Konvertierungssystem namens mas2tex experimentiert: Aus einer einzigen und relativ simplen Auszeichnungssprache werden mit hohem Qualitätsanspruch Online- und Offline-Inhalte generiert. media2mult – der Name des neuen, Wiki-basierten Systems – vereinfacht die Erstellung nochmals und eröffnet neue Möglichkeiten.
Klar, LaTeX, Word und Konsorten können auch HTML oder PDF oder anderes generieren. Aber dabei wird zumeist nur eine kleine Teilmenge der jeweiligen Möglichkeiten unterstützt. Online-Inhalte bieten: Aktive Links, Multimedia-Elemente wie Videos und Audios oder gar interaktive Elemente wie Formulare, Gästebücher, Notizbuchfunktionen. Gute druckbare Dokumente haben ein professionelles seitenbasiertes Layout, ein automatisch generiertes Inhaltsverzeichnis und andere Referenzen und Querverweise. Der Clou bei media2mult liegt in medienabhängigen Konvertierungsroutinen. Ein eingebundenes Video wird im Web als Video, im Druck als Vorschaubild ausgegeben, eine per gnuplot beschriebene Funktion live und in der richtigen Auslösung geplottet, eine Audiodatei wird für den Druck mit einem beschreibenden Ersatztext ersetzt.
Das epolos-Teilprojekt „Autorensysteme“ hat im virtUOS eine lange Geschichte. Bereits 2002 haben wir darüber diskutiert: Wie wollen und können Lehrende möglichst einfach aber gleichzeitig flexibel Vorlesungsskripte erstellen und immer wieder überarbeiten? Ein Diskussionskern: WYSIWYG oder nicht? Kann man Dozenten zumuten, XML zu schreiben? Herausgekommen ist ein entschiedenes Jein! Wikis im Sinne simpler Conten-Management-Systeme bieten eine schnelle Vorschau, sind aber im Bearbeitungsmodus an eine einfache und logische Auszeichnungssprache gebunden. XML ist daraus leicht ableitbar, wird aber nicht von den Autoren selbst geschrieben.
So ist mittlerweile ein großer Zoo an Wiki- und media2mult-Anwendungen entstanden. Unser bevorzugtes Wiki-System ist PmWiki – trivial zu installieren, einfach zu erweitern und umfassend gestaltbar. Große E-Learning-Projekte wie English Language and Linguistics Online (ELLO) oder Mediale Produktion (Medida-Prix-Finalist 2008) verwenden PmWiki, ebenso die virtUOS-Webseite, die Stud.IP-Online-Hilfe, die Wikifarm für die 140 allgemeinbildenden Schulen in Stadt- und Landkreis Osnabrück. Für alle gilt: Primär sind die Angebote für das Web gedacht und mit interaktiven Features angereichert. Suchfunktionen, interaktive Quizzes und Fragen zur Selbstüberprüfung, enge Anbindung an Stud.IP mit Rechtekontrolle. Aber dank media2mult können all diese Angebote auf einen Klick auf ein attraktives PDF-Dokument generieren. Oder einen HTML-Baum, der auch eine CD-Rom gepresst werden kann. Oder, oder, oder: Die Grenzen der Phantasie sind hier längst noch nicht ausgelotet.
Auch der umgekehrte Weg ist erfolgreich: Manchmal steht das gedruckte Produkt als Ziel im Vordergrund, auf dem Weg dahin sind aber viele Autoren beteiligt. Das Stud.IP-Dozentenhandbuch ist von Dutzenden Autoren in einem Wiki erstellt worden. In vielen Seminaren und anderen Lehrveranstaltungen an Uni und FH Osnabrück werden die Studienarbeiten im Wiki erarbeitet und dann auf Knopfdruck in ansprechendem Drucksatz ausgeworfen. An Schulen beginnen derzeit die ersten Schülerinnen und Schüler, Ihre Studienarbeit im Wiki zu schreiben. Dadurch können Lehrer besser und früher coachen und Tipps geben und das Endergebnis ist fertig, wenn der Text fertig ist: Kein Rumfummeln mit Word und Co. in einer durchgemachten Nacht vor Abgabeschluss.
Cross-Media-Publishing wird durch die Verbindung von Wiki und media2mult-Konvertierungswerkzeugen auf eine neue Ebene gehoben. Nicht mehr die kleinste gemeinsame Teilmenge der Medien wird bestimmend, sondern die Autoren können mit einem Quelldokument die Möglichkeiten optimal ausnutzen. Das Basisprinzip Wiki macht zudem schon den Erstellungsprozess flexibler: Viele können mitarbeiten und das im Wachsen begriffene Dokument ist gleichzeitig eine Web- und E-Learning-Anwendung. Diese Vielfalt erfordert aber auch sorgfältige Planung und Steuerung. Die Erfahrungen zeigen: Für fast jedes Szenario lassen sich gute und einfach handhabbare Lösungen mit wenig Aufwand umsetzen.