Orthographie erliegt Knut Fieber

Kürzlich wurde an dieser Stelle noch behauptet, dass der Spiegel eigene Orthographen beschäftige. Diese Behauptung ziehe ich zurück, denn auch der Spiegel hat den Kampf gegen das Deppenleerzeichen – entweder aufgegeben, oder verloren.

Hier das Zeugnis der Niederlage (vollst. Txt):

orthoknutfieber.jpg

(Erläuterung: Herr Wainstein ist stellvertretender Justizminister der Vereinigten Staaten von Amerika, nicht etwa Vizepräsident der USA und gleichzeitig deren Justizminister, oder was immer das Deppenleerzeichen suggerieren könnte.)

Vissen, das der Velt gevehlt hat

Mal wieder etwas aus der Wikipedia, der englischen diesmal. Und es zeigt, dass es sich lohnt, deutsch zu lernen:

Weltschmerz:
[…]
This word helped determine the 2006 Scripps National Spelling Bee Champion, with the runner-up, Finola Hackett of Canada, misspelling it by one letter in the 19th round, spelling it „Veltschmerz“ instead of „Weltschmerz“.

Hilfe bei chronische Powerpoint Schmerzen

Auf meiner derzeitigen Tournee durch Osnabrücker Arztstuben bin ich heute morgen in einem sehr aparten Wartezimmer gelandet. Neben einer »Patientenbibliothek« (schade, keine Wartezimmerlyrik aus der Therapiewarteschlange) sollte der leidend Wartende mittels einer Powerpoint-Präsentation, die unaufdringlich von einem Eckmonitor flimmerte, froh gestimmt und auf wundervoll wohltuende Behandlungsformen vorbereitet werden. Gemäß der beliebten Tradition gemütlicher Rätselheftrunden im Wartezimmer wurden außerdem ein paar orthographische Knobeleien eingebaut. Zum Beispiel ob sich die Stoßwelle aus der gleichnamigen Therapie denn nicht vielleicht doch als »Stosswelle« wohler fühlt, wie ziemlich genau jede zweite Folie suggerieren wollte. Der Höhepunkt aber eine Folie mit unter anderem folgendem Inhalt:

Sauerstoff Therapie, hilft bei

  • chronische Schmerzen,

Schön, schön, schön. Wenn’s hilft, soll’s ja egal sein. Aber! Das ganze ist mal wieder ein feines Beispiel dafür, dass Powerpoint den Grat zwischen Professionalität und Lächerlichkeit besonders schmal macht. Vor einiger Zeit mussten wir schon lernen, dass Powerpoint macht blöd. Um komplexe Argumente geht es hier nicht, aber darum, dass geschniegelte Form und sprachlich ungehobelter Inhalt weit auseinanderfallen. Dann lieber handgeschriebene Zettel, das hätte wenigstens Charme.

Mehr zum Thema: The Gettysburg Powerpoint Presentation von Peter Norvig.

Komma klar am, Valentinstag

Ach! Und Weh! Die Zeichensetzung. Welch garstig Kreuz bürdet unsere Muttersprache dem armen, gestressten, modernen Menschen auf. Auf tausend, ach millionen Dinge muss er achten, Tag für Tag und dann wird ihm auch noch abverlangt, kleine Strichlein aufs Papier zu bringen, an manchen Stellen ja, an anderen Stellen nicht, an anderen wiederum vielleicht. Wen wundert’s, wenn das schonmal schiefgeht, denn sicher hatte die RTL-Redaktion schon genug damit zu tun, sich die üblich hirnzermarternden Antwortalternativen auszudenken:

Valentinstag ist der Tag, der
a) Mütter
b) Liebenden

„wehtut“, wollte ich spontan entsetzt ergänzen, um den Holzwegsatz noch zu einem glücklichen und gerechten Ende zu bringen. Fleitepiepen.

Jetzt aber mal im Ernst. Wo zum Geier kommt der Beistrich her? Soll man unterstellen, dass jemand an einen Relativsatz gedacht hat? Oder dass RTL Orthographen beschäftigt, die nach dem Prinzip des tödlichen Witzes nur Wort für Wort entscheiden dürfen, ob ein Komma kommen kann? Oder ist es die Rache eines frustrierten Praktikanten, der sich in subtiler Weise gegen studipe Rätselfragen auflehnen wollte? Das wäre immerhin tröstlich.

Sprachökonomisch betrachtet sollte es eigentlich eher zu wenige als zu viele Kommata geben, denn wenn ich nicht sicher bin, ob ich zusätzlichen Aufwand treiben und beistreichen soll, dann lass ich’s doch sein. Aber ein ganzer Satz, so ganz ohne Komma? Da hilft das alte Diktatprinzip: Ach! Irgendwo wird schon eins hingehören; Augen zu und durch.

Der Trend zu überflüssigen Kommata in der Öffentlichkeit ist ungebrochen. Den Typ Pseudorelativsatz habe ich heute zum ersten mal wahrgenommen. Häufiger ist das Abtrennen jeglicher Linksextraktionen wie in:

Nach der Sendung, bitte anrufen.
Auf der Lauer, liegt ’ne kleine Katze.
Vor dem Gesetz, steht ein Türhüter.

Das wiederum ist gängige Praxis im Englischen, das ansonsten nicht durch klare und leicht erlernbare Kommaregeln glänzt. Sollte sich hier etwas einschleichen? Wer weiß.

Lesen Sie das Internet Auslegung

Rauscht der größte Teil der täglichen Spamwelle inzwischen recht unbeachtet über uns hinweg, gibt es doch von Zeit zu Zeit das eine oder andere unfreiwillige Kleinod, das entweder über die Verfasser, oder uns, die Empfänger sehr viel aussagt. Heute fand sich eine aufregende Nachricht mit dem Titel „Schummi wiederkehrt!“ in meinem Postfach. Absender angeblich www.spiegelonline.de. Darin Anreißer sensationeller Neuigkeiten (Schummi wiederkehrt!), hinter deren üblichem [mehr…] sich eine reichlich kaputt aussehende Webseite verbirgt. Mit bösem Javascript natürlich.

Das ganze kumuliert in einem dramatischen Höhepunkt, der uns schaudern lässt:

Spigel

Letzte Woche warnte die c’t vor allzu leichtfertigem Umgang mit offiziös gewandeten Mails und ungewöhnlichen URLs. Die Postbank, z.B., hieß es dort als Mahnung, das Gehirn in Gebrauch zu nehmen, betreibe in Russland keine Server für deutsche Kunden. Die gleiche Warnung, nur etwas umgekehrt, also auch hier: Sprachverfallhype hin, Sprachverfallhype her, der Spiegel betreibt durchaus noch eigene Orthographen in Deutschland, die grobe Fehler auszumerzen in der Lage sind.

Interessant mit wiederum umgekehrten Vorzeichen: Dem Leser verlangt der Spiegel nicht ab, die Feinheiten der <ie>-Schreibung zu durchdringen. www.spigel.de funktioniert einwandfrei, wenn auch ohne die Rafinesse der Riesenmaschiene.