Die wahren Metropolen dieser Welt

Bei Germanwings gibt’s ein großartiges Angebot: Bezahlen & Einsteigen, aber nicht wissen, wo man aussteigt.

»Blind booking« nennt sicht das Ganze. Immerhin hat der überraschungsfreudige Gast die Möglichkeit, eine Kategorie zu wählen. »Party«, »Sonne & Strand« oder »Kultur« stehen zur Auswahl. Und »Metropole«. Was Germanwings sich darunter vorstellt, sehen wir hier:

Metropole

Zweibrücken?? Du glaubst, das ist die Niete? Nee, die Wikipedia weiß wahrlich Attraktives zu berichten:

»Sie ist mit etwa 35.000 Einwohnern die kleinste kreisfreie Stadt Deutschlands. Die Stadt hat einen Flugplatz, den größten Rosengarten Europas, das größte Factory-Outlet-Center Deutschlands, ist Sitz des Pfälzischen Oberlandesgerichts und beherbergt das Landgestüt des Landes Rheinland-Pfalz.«

Wie komm ich da wohl hin?

Im Juni darf ich zu einer Konferenz nach Riga fahren. Oder fliegen. Da liegt jetzt das Problem.

Entweder steh ich grad auf dem Schlauch oder die intelligente Online-Suche nach Reiseverbindungen gibt es nicht. Alle Flug-Such-Seiten, über die ich bislang gestolpert bin, verlangen von mir die Eingabe eines Startflughafens. Aber der ist mir doch relativ egal. Muss ich jetzt alle 15 gut erreichbaren Flughäfen in der Umgebung Osnabrücks durchprobieren? Das kann doch wohl nicht sein…

Stilvoller wäre es natürlich, das Schiff zu nehmen. Aber auch da: Keine schlaue Suche in Sicht. Ob von Lübeck oder Kiel aus, von Warnemünde oder Stettin oder erst mit dem Flugboot nach Ystad und dann umsteigen: Das kümmert mich doch eigentlich gar nicht.

Ich werde mal weitersuchen. Das bislang günstigste Komplettangebot, das ich gefunden habe, liegt bei 174€ (ab/bis Osnabrück Hbf.). Klingt ja eigentlich schon gar nicht schlecht.

Preis und Wert

Wieder einmal fallen Dinge zusammen. Jens und das vereinigte Heise-Forum echauffieren sich über EAs phantasievolle Europa-Preisgestaltung für das Musikspiel »Rock Band« und der Dekan des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften lässt mir gegenüber in einem Gespräch den Satz fallen, dass ja heute jeder wisse, dass die Vorstellung vom »Homo Oeconumicus« veraltet und völlig realitätsfern sei.

Spiele und Wirtschaftswissenschaften haben viel gemein. Die Spieltheorie ist spätestens seit dem Nobelpreis an John Forbes Nash Jr., John Harsanyi und Reinhard Selten im Jahre 1994 mit höchsten Weihen versehen und spielt auch in anderen Disziplinen wie der Philosophie oder der Politikwissenschaft eine große Rolle, wenn es darum geht, menschliches Verhalten zu erklären und vorherzusagen. Die alte Vorstellung dabei ist: Rationalität. Spielsituationen als vereinfachende Modelle realer Konstellationen. Die Vereinfachung erlaubt es, mathematische Modelle von »guten« und »optimalen« Entscheidungen durchzuspielen. Erschreckenderweise liefert Google bei der Suche nach DEM klassischen spieltheoretischen Modell, dem Gefangenendilemma, als dritten Treffer immer noch einen Link auf mein uraltes Referat mit dem Titel »Spieltheorie und das Gefangenendilemma«. Ich bin da also sowas wie ein Experte und immer noch erreichen mich ständig seltsame Mails und Anrufe, die von mir spieltheoretische Weisheiten erfahren wollen. (Ein Highlight war der Anruf aus der brand eins Redaktion: »Wir haben da gerade einen redaktionsinternen Streit um das Nash-Equilibirum und Sie sind unser Telefonjoker. Also, wenn in einem N-Personen-Nullsummenspiel…«)

Inzwischen aber, wie gesagt, weiß man, dass der Mensch so nicht funktioniert. Sonst müsste es z.B. einen Zusammenhang zwischen Wert eines Dinges und seinem Preis geben. Gibt es aber nicht. Schauen wir mal (grob verallgemeindernd):

  • Eine Musik-CD kostet ca. 15€
  • Eine Film-DVD kostet ca. 20€
  • Eine HD-DVD kosts ca. 40€
  • Ein PC-Spiel kostet ca. 45€
  • Ein DS-Spiel kostet ca. 35€
  • Ein PS3-Spiel kostet ca. 60€
  • Eine SMS kostet ca. 20 ct.
  • Eine E-Mail kostet gar nichts
  • Ein mp3-Song als Download kostet ca. 1€
  • Der gleiche Song als (kürzerer) Klingelton kostet ca. 3€ (oder so, mein Handy kann sowas nicht und Fernsehwerbung hab ich nicht mehr)

Ein Bezug zur Qualität oder zum Wert eines Produktes ist da quasi systematisch auszuschließen (Seltsamerweise aber nicht das Alter. Computerspiele werden billiger, je älter sie sind, aber abhängig vom Erfolg; DVDs auch, aber eher automatisch; CDs nur kurzfristig, um dann langfristig immer teurer zu werden; alte E-Mails z.B. kann man gar nicht kaufen). Vielmehr machen die Marktgewohnheiten den Preis. Manche Märkte sind faktisch (sich selbst ein Auto aus den USA zu importieren ist etwas zu kostspielig; PS3-Spiele laufen nicht auf dem PC; DAUs wissen nicht, wie sie eigene Klingeltöne aufs Handy bringen) oder künstlich (Region-Codes) voneinander getrennt und wenn EA denkt, dass »Rock Star« in den USA eigentlich zu billig angeboten wurde, dann versuchen sie es anderswo halt teurer…

Dass der Mensch in ökonomischen Fragen eben nicht rational, sondern höchst emotional denkt und handelt, verdeutlicht ein anderer Klassiker aus der experimentellen Spieltheorie:

Ein Unbekannter (X) hält dich (A) und einen weiteren Unbekannten (B) in der Fußgängerzone an und sagt: Ich gebe A 100€. A muss B etwas davon abgeben und wenn B mit dem Betrag, den er bekommen hat, einverstanden ist, könnt ihr beide das Geld behalten. Wenn nicht, bekommt ihr beide gar nichts.

Rational betrachtet ist der Fall ganz einfach. A gibt B 0,01€ und behält 99,99€. B ist einverstanden, weil er mehr erhält, als wenn er nein sagt (0,01 > 0,00). Mit echten Menschen sieht das Ergebnis aber ganz anders aus. Sigmund/Fehr und Nowak (2002) halten dazu fest:

[…] zwei Drittel der Vorschläge [liegen] zwischen 40 und 50 Prozent […]. Nur 4 von 100 Personen bieten weniger als 20 Prozent. Ein so geringes Angebot ist riskant, weil es abgelehnt werden kann: Mehr als die Hälfte aller Versuchspersonen weisen Angebote zurück, die unter 20 Prozent liegen.

Was sagt uns das zum Thema »Rock Band«: EA verlässt den Bereich eingependelter Preise, weil sie glauben, einen besonderen Wert anbieten zu können, der die Gefühle von Verarschung und Benachteiligung bei den potenziellen Käufern aufwiegt. Falls das Experiment schiefgeht, hat EA vermutlich dennoch nicht verloren, denn durch Preissenkung kann jederzeit ein neues Angebot folgen. Falls es aber gelingt, werden andere sicher nachziehen und die Preisstandards für die jeweiligen Märkte nach oben auszudehnen versuchen.

Schließlich geht es hier um eine Besonderheit beim Handel mit Kulturgütern: Sie sind nicht so ohne weiteres vergleichbar, weil emotional viel stärker belastet. Wenn X dem A einen seltenen Sammler-100-Euro-Schein mit Tokio-Hotel-Konterfei geboten hätte, der A egal, aber B besonders wichtig gewesen wäre, sähe die Situation irgendwie anders aus.

Hurra, ein Schalttag!

Heute ist Schalttag! Ein Geschenk des Himmels, mehr oder weniger sogar im wahrsten Sinn des Wortes.

Ursprünglich hatte ich vor, den diesjährigen Schalttag ganz dem öffentlichen Dienst am Volke zu widmen, aber leider bin ich krankgeschrieben. Muss ich also den Tag für mich selbst nutzen.

Was tun? Ich denke, ich werde gleich einen Plattenladen stürmen und das erste mal seit sehr langer Zeit wieder schon am Erscheinungstag ganz fix nach einer CD greifen: Nick Caves »Dig!!! Lazarus Dig!!!«.

Feap! Feap! Feap!

Heute bin ich über eine phantastische Webseite gestolptert: http://www.feap61.de. HALT! Noch nicht klicken. Erst raten.

Eigentlich müsste es nämlich FeAp61 heißen. Auf der Seite wird fleißig aus einem epochalem Werk namens »Hilfsbuch für Entstörer« zitiert. Und bei mir hat die Seite nostalgische Erinnerungen geweckt. Aber ich bin ja auch schon ganz schön alt.

Na!? Begeistert!?

Ich bin doch blöd

Normalerweise bin ich mit Jamendo und meinem emusic-Abo rundum glücklich und bekomme für gar kein bis sehr wenig Geld ganz legal sehr gute Musik ohne Kopierschutzverkrüppelungen. Ab und an gibt es dann aber doch die eine oder andere CD, die auf diesen Wegen nicht zu kriegen ist, aber unbedingt in meinem Regal, auf meinem MP3-Player und auf meiner Festplatte landen soll.

Heute habe ich mich in fester Kaufabsicht in CD-Abteilungen und Plattenläden auf die Suche nach gleich drei konkreten CDs gemacht. Ich hoffe, zum letzten Mal, denn der Handel mit physikalischen Tonträgern in Einzelhandelsgeschäften hat ausschließlich Nachteile.

Zuallererst sind CD-Abteilungen aus unerfindlichen Gründen unfassbar bescheuert sortiert. Warum stehen die Einstürzenden Neubauten bei »Alternative«, Jens Friebe aber bei »Deutsch-Pop«? Woher wissen die Plattensortierer so unfehlbar, dass etwas genau in die Jazz-, Pop- oder Klassikabteilung gehört? Gehört deutscher Rock zu »Deutsch« oder »Rock« oder ist es »Independent« oder sogar schon »Heavy Metal«? Und warum muss ich sicherheitshalber noch im Neuheitenregal, im Angebotsregal am Eingang, im Angebotsregal hinten rechts, im Angebotsregal in der Mitte und in allen sieben Sonderaktionsständern nachgucken? Verkäufer zu fragen ist eh sinnlos, wenn es nichts aus den aktuellen Charts sein soll.

Die durchschnittliche Suchzeit für eine CD kann so leicht bei einer halben Stunde liegen. Ergebnis meist: Nicht da. »Wir können Ihnen das gerne bestellen.« Danke, kann ich selbst. Denn sonst müsste ich ja nochmal hinlaufen, was eh schon mindestens eine halbe Stunde verschlingt. Also zusammengerechnet: Ich soll eine ganze Stunde meiner Zeit aufbringen, um eine CD kaufen dürfen zu wollen, die es dann gar nicht gibt.

Damit ist dann auch der einzige Vorteil hin, den so ein Laden gegenüber dem Versandhandel haben könnte: Ich könnte das begehrte Stück sofort in der Hand halten und noch unterwegs in den MP3-Player schieben zu Hause gleich rippen und auf den Player überspielen. Bei Amazon und Konsorten warte ich ein bis zwei Tage, spare aber Zeit, kann Preise vergleichen und noch mehr oder minder interessante Rezensionen anderer lesen, statt auf einen Verkäufer zu treffen.

Überhaupt: Die Preise sind unverschämt. Witzigerweise kostet heutzutage eine Soundtrack-CD oft mehr als die dazugehörige Film-DVD mit Dolby-Surround-Mehrfachtonspur. Saturn wollte 17,95€ für die aktuelle Neubauten-CD verlangen, bei jpc waren’s genauso wie bei Amazon 14,95€. Musicload nimmt für die MP3-Version 11,95€. 3€ für die Hülle und für’s Nicht-Selbst-Brennen-, dafür aber Rippen-Müssen? (Immerhin ist die CD nicht kopiergeschützt.) Das kommt mir irgendwie so gerade noch vertretbar vor. Wie Volker Strübing in einem Beitrag über den empfehlenswerten Konrad Endler schreibt, scheint die professionell bedruckte Hülle den Leuten tatsächlich das Geld aus der Tasche zu ziehen, oder umgekehrt: Wo keine tolle Hülle, da kein ordentlicher Wert.

Ich vermisse die Hülle in der Regel nicht. Das besondere haptische Erlebnis fehlt CDs gegenüber den guten alten Vinylplatten ja ohnehin. Und so habe ich mir gerade ganz spontan und ohne Wartezeit, ohne Lauferei und Sucherei das primagute Album »Mädchenmusik« vom Brockdorff Klang Labor heruntergeladen. Bei emusic für ca. 2,99€. Also satte 15€ und eine Stunde eigener Zeit gespart. (Hier muss allerdings erwähnt werden, dass bei emusic ein Abo über mindestens 40 Songs pro Monat abzuschließen ist. Lohnt sich natürlich nicht für jeden.)

Es tut mir ja leid für euch, liebe Beschäftigte im Tonträgereinzelhandel. Aber wenn es nach mir geht, müsst ihr eure Brötchen in Zukunft anders verdienen.

Abends schreddert man den Mercedes

So ungefähr genau heute vor 15 Jahren habe ich meine erste E-Mail geschrieben. Von unix05 (das war ich) an unix07, im Unix-Kurs eine Woche vor Beginn meines Studiums; und ich fand es zugleich exotisch, aufregend und – ein wenig nutzlos. Denn unix07 saß mit mir im gleichen Raum, aber ich wusste gar nicht, wer unix07 ist und außer unix01 bis unix12 kannte ich niemanden, der eine E-Mail-Adresse besitzt. Also fiel der Inhalt der hin und her gehenden Mails nicht besonders sinnreich aus. Aber: Es funktionierte und für den technisch Begeisterten kann das schon mehr als zufriedenstellend sein. Hätte ich voraussehen können, dass nur eine halbe Generation später das Medium E-Mail genauso selbstverständlich sein wird wie damals Brief oder Telephon? Dass etwas namens Internet langsam aber sicher dem Fernsehen, dem Radio und dem Einkaufsbummel den Rang abläuft? Dass die Leute mit ihren Telephonen photographieren?

Die Futurologie ist eine Disziplin, die in der Vergangenheit wenig Fortune bewiesen hat. Zur Jahrtausendwende haben wir uns alle amüsiert über alte Entwürfe des Lebens im Jahr 2000, die meist auch kaum eine Generation alt waren. Wie also werden sich Gesellschaft und Technologie weiterentwickeln? Wie sieht unser Alltag in 10, 20, 50 Jahren aus? Der Telepolis-Band »what if? Zukunftsbilder der Informationsgesellschaft« traut sich, diese Frage in 25 Beiträgen aufzugreifen. Ein gelungenes Buch, wie ich finde, auch wenn (oder gerade weil) die Beiträge in Anspruch, Wissenschaftlichkeit und Zielrichtung sehr weit auseinander gehen.

Sicherlich werden alle konkreten Vorhersagen (der Band enthält allerdings auch viele grundlegendere Texte) irgendwie danebenliegen und in 10 Jahren werden einige Beiträge höchstens belustigend wirken. Aber sie sagen dann auch mehr über unser Jetzt im Jahre 2007 aus, als über unser Morgen. Vielleicht ist das ohnehin der Zweck der Futurologie: Der Geschichtsschreibung von Morgen etwas zu hinterlassen, das verdeutlicht, welche Ziele, Ängste und Hoffnungen wir hatten.

Bernhard Frankens Beitrag »youProd – vom Rapid Prototyping zur Rapid Production« dreht sich um die Frage, inwiefern billig verfügbare 3D-Drucker unseren Alltag durcheinanderwirbeln könnten – und ein Portal wie youTube zum Austausch von Druckvorlagen für Alltagsgegenstände avanciert. Gestolpert bin ich darin über einen erschreckend denkbaren wie fernen Abschnitt:

Morgens braucht man eine Kaffeetasse, also druckt man eine aus. Nachmittags braucht man ein Spielzeugauto zum Spielen mit dem Sohn, also schreddert man die Kaffeetasse zu Granulat, druckt sich einen Spielzeugmercedes im Maßstab 1:87 und legt los. Abends fehlt die Zahnbürste, also schreddert man den Mercedes und druckt sich eine Zahnbürste aus.

Kann ich mir in der Zukunft jeden gewünschten Gegenstand einfach selbst ausdrucken? Oder den Teller und die Designervase vom Nachbarn einfach kopieren? Unsinn? Uninteressant? Reine Science Fiction? Weshalb würde jemand mit einem Telephon photographieren wollen??