Das Wintersemester 1992/1993 war grau, verregnet und für mich als damaligen Computerlinguistik-und-Künstliche-Intelligenz-Erstsemester voller aufregender neuer Eindrücke und wissenshungriger Aufbruchstimmung. Ein Garant dafür, dass diese Stimmung nicht Ernüchterung oder gar Enttäuschung weichen musste, war die Pflichtvorlesung »Algorithmen« von Prof. Dr. Oliver Vornberger.
Mindestens 15 Stunden in der Woche beschäftigten uns seine Bemühungen, die Grundzüge der Informatik anhand der damals modernen Programmiersprache »Modula-2« mit Tafel und Kreide an den Mann und die sehr wenigen Frauen zu bringen. Vorlesung, Übung, Aufgabenblätter und persönliche Testate mit wirklich guten Tutoren haben zumindest in meinem Fall für eine dauerhaft nährende Grundlage gesorgt. (Klausuren gab es damals noch nicht…) Obwohl ich schon einige Vorkenntnisse aus der Schul-AG »Vorbereitung auf den Bundeswettbewerb Informatik« mitgebracht hatte, die vonm ehemaligen Vornberger-Studenten Heiner Pinke (UPDATE: Heiner Pinke ist über dieses Blog gestolpert und berichtet, leider nie eine Vornberger-Vorlesung gehört zu haben. Stattdessen hatte er viel mit Hardy Scheffczyk zu tun, der in meinem Studium ungefähr zur gleichen Zeit auch eine große Rolle gespielt hat, was meine Erinnerung wohl etwas durcheinandergeworfen hat…) ins Leben gerufen worden war, ist die Vorlesung nie langweilig geworden und fühlte sich nie nach lustlosem Durchkauen von Standard-Stoff an.
Heute, mehr als 16 Jahre später, bin ich anlässlich der Endphase meiner leider etwas verschlungen verlaufenen Promotionspfade zufälligerweise wieder Computerlinguistik-und-Künstliche-Intelligenz-Erstsemester. Professor Vornberger und seine Einführungsvorlesung gibt es immer noch. Sie heißt jetzt »Informatik A: Algorithmen« und setzt zeitgemäß auf JAVA statt auf Modula-2, behandelt auch Grundzüge der Objektorientierung, der Rest ist aber gleich und gleich begeisternd geblieben, wie wir in Marians Erstsemester-Blog kürzlich lesen durften.
Inzwischen sitze ich nicht mehr gebannt lauschend im Auditorium, sondern kümmere mich im Zentrum für Informationsmanagement und virtuelle Lehre (virtUOS) um’s E-Learning. Oliver Vornberger kann man mit Fug und Recht als den »guten Geist des virtUOS« bezeichnen. Er gehörte 2001 zu den Initiatoren, die die außerhalb Osnabrücks vielbeneidete Entscheidung getroffen haben, E-Learning-Fördermittel und -Mitarbeiter nicht per Gießkanne unverbunden auf einzelne Institute und Lehrstühle zu verteilen, sondern in einer gemeinsamen Einrichtung zusammenzufassen. Seitdem ist er Vorstandmitglied und absolut verlässlich immer da, wenn man ihn braucht.
Heute wurde bekannt: Prof. Vornberger wird mit dem »Ars legendi«-Preis für exzellente akademische Lehre des Stifterverbandes und der bundesdeutschen Hochschulrektorenkonferenz ausgezeichnet. Das ist kein beliebiger kleiner Preis, den früher oder später jeder mal erhält. Vornberger ist 2009 alleiniger Träger des insgesamt zum dritten mal vergebenen Preises. Bundesweit. Allerherzlichsten Glückwunsch zu dieser mehr als berechtigten Auszeichnung!
Sowohl seine Lehre als auch zwei seiner jüngeren Forschungsschwerpunkte sind eng mit dem Thema E-Learning und dem virtUOS verbunden. Als Professor für Praktische Informatik bzw. Medieninformatik hat Vornberger schon sehr früh auf das Internet als ideale Ergänzung der Präsenzlehre gesetzt. Als Pionier in Sachen Vorlesungsaufzeichnung macht er seine Lehre seit langem öffentlich zugänglich – auch, aber eben nicht nur für die eigenen Studierenden. Podcasts, iTunes und ganz neu der »social virtPresenter« in Facebook sind einige der Verbreitungswege, die wir mit ihm zusammen ausprobieren und wissenschaftlich begleiten und auswerten durften. Die Deluxe-Variante »virtPresenter«, deren Entwicklung er als Projektleiter und anspruchsvoller Nutzer seit Jahren vorangetreibt, ist weltweit eine der komfortabelsten und stabilsten Lösungen für die Produktion und Verbreitung von Vorlesungsaufzeichnungen im Netz. Mein Glückwunsch und mein Dank hier auch an Nils Birnbaum, Markus Ketterl, Robert Mertens und Rüdiger Rolf sowie die zahlreichen höchstmotivierten Hilfskräfte für die jahrelange großartige und kontinuierliche Arbeit!
Eines meiner Lieblingsbeispiele, das die Mächtigkeit von virtPresenter verdeutlicht:
Stellen Sie sich vor, Sie bereiten sich auf eine Prüfung in Informatik vor. Sie stoßen bei der Vorbereitung auf den Begriff »Laufzeitanalyse« und erinnern sich nur noch, dass Sie im ersten Semester mal etwas darüber gehört haben. Klicken Sie jetzt bitte hier und in der nun gestarteten virtPresenter-Flash-Oberfläche auf »Suche«. Tragen Sie »Laufzeitanalyse« in das Suchfeld ein und Sie erfahren, dass in Sitzung 9 auf Folie 3 das Konzept der Laufzeitanalyse erklärt wurde. Mit einem weiteren Klick können Sie sich nochmal exakt anschauen, wie Prof. Vornberger diesen Begriff damals erklärt hat. Weder gedrucktes oder Online-Vorlesungsskript noch persönliche Notizen können so etwas leisten.
Der andere E-Learning-Forschungsschwerpunkt ist das Thema »Web-Publishing«. Mit dem Cross-Media-Publishing-Werkzeug »media2mult« können Autoren komfortabel in einer Wiki-Umgebung (PmWiki) Mutlimedia-Dokumente erstellen und sie dann auf Knopfdruck für verschiedene Medien nutzen: Etwa als Webseite oder als qualitativ hochwertiges PDF-Dokument. Wir verwenden media2mult als Standard-Tool für die Erstellung komplexer E-Learning-Module und bieten allen Lehrenden von Uni und FH Osnabrück eigene media2mult-Felder an. Über 500 sind davon derzeit im Einsatz und können einfach mit Stud.IP gekoppelt werden. Die Schulen in Stadt und Landkreis Osnabrück nutzen in Zusammenarbeit mit dem Medienzentrum Osnabrück über 200 solcher Felder für unterschiedlichste Aufgaben. In den letzten Wochen haben mehrere Dutzend Schüler ihre Seminarfach-Arbeiten in der Oberstufe mit media2mult verfasst. Vorteil: Die betreuende Lehrkraft kann jederzeit den aktuellen Arbeitsstand einsehen und frühzeitig beratend eingreifen und alles Gefummel mit Office-Software, um ein ordnungsgemäß formatiertes Dokument zu erstellen, entfällt.
So könnte ich noch seitenweise weiterschwärmen, will aber nur noch auf einige sehr empfehlenswerte Aufzeichnungen verweisen, die glaube ich sehr deutlich machen, warum Prof. Vornberger den Preis verdient hat:
- 4-Minuten-Kurzvortrag »Lost in Cyberspace? Was bringt uns die digitale Zukunft« beim 1. Osnabrücker Wissensforum
- Vortrag über didaktische Überlegungen und praktische Erfahrungen mit »Algorithmen in iTunes« bei der Podcast University 2007
- virtPresenter-Aufzeichnung der Vorlesung »Algorithmen« im Wintersemester 2008/2009
- laufend ergänzte virtPresenter-Aufzeichnung der aktuellen Vorlesung »Datenbanksysteme« im Sommersemester 2009
- Prof. Vornberger stellt im Interview für die Reihe »Wissenschaftsköpfe« seine Schwerpunkte in Forschung und Lehre vor
Zum Schluss noch einmal und ganz persönlich gesprochen: Herzlichen Glückwunsch, Herr Prof. Dr. Vornberger, zu dieser Auszeichnung! Und ein Dank für all das, was ich von Ihnen und in den letzten Jahren wundervollerweise auch mit Ihnen lernen durfte. Wir, also die Uni Osnabrück und das Zentrum virtUOS, sonnen uns etwas mit im Glanze dieser Ehre. Natürlich wissend, dass jegliche Wissenschaft und Lehre, auch die exzellenteste, nur ein Recken auf den Schultern von Riesen ist. Aber auch wissend, dass es kleine und große Riesen gibt, und abschüttelnde oder stützende (mitunter auch schützende) Schultern. Sie waren und sind uns jeweils letzteres. Also: Vorbild und Maßstab.