Podcast-University: Medienspezifische Podcast-Didaktik

Mit inzwischen einer halben Stunde Verzögerung treten Tim Schmidt und Verena Barbosa Duarte von der Uni Osnabrück aufs Podium, um über die Entwicklung einer medienspezifischen Podcast-Didaktik zu berichten. Sie gehen von den Diskussionen der letzten Podcast-Tagung aus und überlegen, wie die didaktischen Potenziale der Technologie besser ausgenutzt werden können.

Schmidt und Duarte unterscheiden begrifflich „Podcasts“ als technische Distributionsform und „Podcasting“ als sozialen und kommunikativen Prozess. Infrastruktur in Osnabrück bietet das Zentrum für Informationsmanagement und virtuelle Lehre mit technischer und didaktischer Unterstützung sowie einem Studio für profesionelle Audio- und Videoproduktion. Die Uniblogs-Blogfarm und das Portal Lernfunk bilden den technischen Rahmen.

E-Learning-Podcasts unterscheiden Schmidt und Duarte nach Dozenten- und Studierendenpodcasts und liefern Beispiele.

Im Dozentenpodcast „Mr. Bergs, I have a question“ werden häufige Fragen Studierender in Vorlesungen und Sprechstunden nach kurzen, griffigen Definitionen beantwortet – 40 kurze Episoden sind so entstanden. Die Nutzung der Kommentarfunktion ist aber noch förderungsbedürftig. Ein zweiter Dozentenpodcast für ein Filmbildungsseminar gibt zusätzlichen Input für das Seminar und die einzelnen Episoden dienen als Beispiele für die von den Studierenden zu erbringenden Leistungen. Bislang wurde der Podcast begleitend für ein einzelnes Präsenzseminar eingesetzt, im nächsten Semester wird er an verschiedenen niedersächsischen Hochschulen in Blended-Learning-Konzepten eine noch größere Rolle spielen.

Ein Beispiel für Studierendenpodcasts werden aus dem Fach Anglistik Beispiele angeführt, die als optionale Prüfungsleistungen dienen, die Sprachkompetenz verbessern und außerdem einen Pool für das Fach Linguistik aufbauen sollen. Die Reaktionen der Studierenden waren nach anfänglichen Bedenken sehr positiv. Sie schätzen besonders, lebendigere Darstellungsformen ausprobieren zu können. Um Studierende bei der Podcast-Erarbeitungzu unterstützen, bekommen sie am Anfang des Semesters einen strukturierenden Arbeitsplan ausgehändigt.

In den Erziehungswissenschaften werden Studierende im bereits erwähnten Filmbildungsseminars ermuntet, in einem jeweils eigenen Blog das Semester über Fragestellungen zu behandeln und in einem abschließenden Podcast zusammenzufassen. Die Form ist dabei freigelassen und der Podcast wird im Umfang eines Leistungspunktes als Prüfungsleistung anerkannt. Auch dieses Szenario wird auf mehrere Hochschulen in Niedersachsen ausgeweitet.

Geplant ist für die kommenden beiden Semester ein interkultureller Austausch zwischen deutschen und US-amerikanischen Studierenden. Ergebnis werden Podcasts sein, die von binationalen Gruppen interaktiv vorbereitet und gemeinsam erstellt wurden.

Die „Schlüsselkompetenz Podcasting“ betrachten Schmidt und Duarte in Rahmen einer produktionsortientierten Mediendidaktik. Technische Kompetenzen stehen neben Anforderungen, Themen für das Medium angemessen aufzubereiten.

Als Fazit fordern die Vortragenden, Podcasts immer vor dem Hintergrund eines didaktischen Szenarios zu entwickeln, d.h. neue Formen zu erfinden, kommunikative Potenziale des Mediums auszuschöpfen und über den lokalen Kontext hinauszudenken.

Die Diskussion fragt nach Distributionsformen bei iTunes. Karsten Morisse kann berichten, dass iTunesU ab dem nächsten Jahr auch in Deutschland verfügbar sein wird. Dann ruft die Mittagspause.

Podcast-University: Vom Lesebuch zum Hörbuch

Britta Schwieters und Paul John von Universität Bielefeld berichten über ein seminarbegleitendes Weblog mit Podcast-Funktionalität in Veranstaltungen zur Vermittlung von Medienkompetenz im ServiceCenter Medien. Ziel ist es dort, mit Studierenden zusammen ein Hörbuch aus selbstgeschriebenen Geschichten zu produzieren.

Lerninhalte des Seminars sind kreatives Schreiben, Stimm- und Hörschulung sowie Technikeinführung für Lehramtsstudierende. Ein eindrucksvolles Beispiel führt die Arbeit einer Studentin vor, die einen selbstgetexten Text selbst eingesprochen und mit selbst eingespielter Klaviermusik unterlegt hat. Der Arbeitsaufwand für Studierende wie Dozent und Tutoren ist relativ hoch. Das Verhältnis zwischen Aufwand und Lernertrag wird dennoch durchgehend als angemessen bezeichnet.

Insgesamt erscheint das Seminar besonders ideal für den Podcasteinsatz und das Blogsystem als besonders geeignet für die angestrebte Lernform. Auch Halbfertiges wird schon zugänglich gemacht, kommentiert und zeitlich flexibel über die Seminargrenzen hinaus nutzbar. Großer Vorteil ist eine hohe Öffentlichkeitswirkung, die auch für die Studierenden hohe Motivation erzeugt – z.B. als Präsentation der eigenen Arbeit für Eltern und Freunde.

Der Betreuungsaufwand für das Hörbuchteam ist nicht zu vernachlässigen: Neben einer wöchentlichen Sprechstunde wird das Endprodukt noch professionell nachbearbeitet und in einem WordPress-System mit Podcast-Plugin veröffentlicht. Kommentare müssen freigeschaltet und rechtliche Fragen der Veröffentlichung beachtet werden. Schließlich wird eine Audio-CD erstellt, die professionell gestaltet den Studierenden ausgehändigt wird.

Die Rückmeldungen sind sehr positiv: Das Projekt wird öffentlich wahrgenommen, die Studierenden eignen sich Kompetenzen an, die sie später im Schulalltag praktisch nutzen können. Die Evaluationsergebnisse zeigen, dass knapp 60% der Teilnehmer ihre Fähigkeit zum selbstständigen Arbeiten besonders gefördert und ca. 55% ihr Interesse am Studium insgesamt gesteigert sehen.

In der Diskussion wird nach der Finanzierung gefragt: Werden für das Vorhaben Tutorenmittel gesondert zur Verfügung gestellt? Da die dafür eingesetzten Studierenden bereits über erhebliche Vorkenntnisse verfügen, seien die notwendigen Mittel relativ gering, führt Herr John aus.

Problemen mit der Online-Sichtbarkeit wird durch eine schriftliche Einverständniserklärung entgegengewirkt, außerdem wünschen Studierende sehr stark, das professionelle Endprodukt auch zu veröffentlichen. Auf Wunsch werden die Einträge später wieder entfernt.

Ein Teilnehmer blickt neidvoll auf die starke Beteiligung im Blog. Gibt es dafür besondere Rezepte? Auch in Bielefeld sei der Anlauf lang und schleppend gewesen, führen die Vortragenden aus.  Geringe Beteiligung in öffentlichen Diskussionen wird von weiteren Teilnehmern bestätigt.

Beispiele:

Podcast-University: Geografee – Unterhaltsame Podcasts für die Geografie

Torsten Wißmann von der Uni Mainz berichtet über Podcasts im Fachbereich Geographie. Er gestaltet den Vortrag als „Live-Episode“, die Format und Gestaltung der Geografee-Podcasts erahnen lässt. Sofort wird klar: Mit klassischen Vorlesungsaufzeichnungen hat das wenig zu tun, sondern orientiert sich durch eingestreute Jingles stark an Radioformaten.

Bei Wißmann stand am Anfang: Podcasts müssen unterhaltsam sein, um aufzufallen. Die Konkurrenz sind nicht andere Vorlesungen, sondern die digitale Lebenswelt der Studierenden. Die Lehre aus „Normalen E-Learning-Podcasts“, die direkt aus Audiovorlesungsaufzeichnungen bestehen, sei: Kaum Mehrwert, die Technologie alleine bewirkt wenig. So entstand das Vorhaben, einen neuartigen, unterhaltsamen E-Learning-Podcast für die Geographie zu entwickeln.

Pro Veranstaltungssitzung ist eine Podcast-Episode vorgesehen, die auf 20-25 Minuten angelegt ist. Die Vorbereitung ist relativ aufwendig: Nach der Recherche wird ein Skript verfasst, dass dann eingesprochen wird. Die Struktur der im AAC-Format produzierten Folgen ist jedes Mal ähnlich und wird um aufwertende Inhalte angereichert: Jingles, Abbildungen, O-Töne und Audiozitate. Unter geografree.de werden die Gestaltungsprinzipien der Podcasts deutlich: Einfach, Ansprechend, gut zugänglich.

Aktuelle Entwicklungen: Neben seminar- und übungsbegleitenden Podcasts, sollen auch andere Veranstaltungsformen unterstützt werden, wie z.B. Exkursionen ohne Dozent – per Audiotour und vorgefertigtem Exkursionsbuch mit Arbeitsaufträgen. Das soll Lehrenden wie Studierenden mehr Freiraum bieten. Geografree-Front-Line soll sich dem Problemkreis nähern: Wo diskutieren Wissenschaftler eigentlich miteinander? Der Podcast soll die aktuelle Diskussion in der deutschen Humangeographie anstoßen, die sechste Episode ist gerade fertiggestellt. Nutzer können per Voice-Mail, E-Mail oder QuickVote mitreden.

Wozu das ganze: Lernangebot erweitern, viele Studierende errreichen, auf ihre Lerngewohnheiten eingehen und sie dort abholen, wo sie herkommen. Mit einem Schlagwort: Lifestyle – mehr Leute erreichen, mehr Kommentare einfangen und mehr zum Denken anregen.

Die wegen des zu langen Vortrags leider sehr kurz Diskussion dreht sich zunächst um die Frage: Wie wird das in die Lehrveranstaltung eingebunden, werden die möglichen didaktischen Vorteile genutzt, oder sind das Vorbild eher die „Unterhaltungspodcasts“? Wißmann führt aus: Die Geografree-Beiträge sind fest in Seminare mit Präsenzpflicht eingebunden und greifen vor allem wichtige Teile heraus.

Wie ist die Frage der Nutzungsrechte bei Musik, O-Tönen etc. geregelt? Alle Jingles sind frei verfügbar, das Podsafe-Music-Network bietet zudem Musik-Inhalte, die in Podcasts verwendet werden dürfen.

Podcast-University: Rapid eLearning im Medizinstudium an der Charité

Joachim Plener von der Charité-Universitätsmedizin Berlin berichtet über Podcasts im Hörssal. Die Charité in Berlin ist über weit auseinanderliegende Campi in der Stadt verteilt, das Studium hat einen hohen Anteil an Vorlesungen und allgemein hat die Lehre in der Medizin gegenüber Klinik und Forschung einen vergleichsweise geringen Stellenwert. All diese Voraussetzungen haben den Entschluss gefördert, Vorlesungsinhalte verstärkt digitalisiert zur Verfügung zu stellen.

Die Charité setzt auf kommerzielle Tools wie Blackboard und Confluence und leistet sich nur eine sehr kleine E-Learning-Einrichtung. Daraus folgt: Dozenten sollen die Rolle des Produzenten weitgehend selbst übernehmen. Nicht die Hörsäle werden technisch ausgestattet, sondern drei eine mobile Aufnahmestationen werden durch die Gegend getragen. Auf den Laptops läuft Powerpoint mit Camtasia, Mikrofone werden mitgeliefert, Videoaufzeichnungen sind nicht vorgesehen. Eine komplette Aufnahmestation kostet ca. 1700€.

Ergebnis des Produktionsprozesses ist eine von Camtasia produzierte Flash-Anwendung, die Inhaltsverzeichnis über die einzelnen Episoden und Download-Möglichkeiten z.B. für den iPod bietet. Technisch funktioniert das gut, die Akzeptanz ist erfreulich und einzelne Klinken nutzen die Angebote schon sehr weitgehend.

In der Praxis seien aber ein paar Probleme offensichtlich geworden:

  • 90-Minuten-Episoden sind zu lang. Die Aufmerksamkeitsspanne am Rechner oder iPod ist typischerweise kürzer.
  • Zwischenfragen sind schwierig zu verstehen, müssen wiederholt werden, was den üblichen Fluss der Vorlesung stört.
  • Die meisten Dozenten wollen die Aufzeichnungen nicht veröffentlichen. Copyright-, Patientenrecht- und Datenschutz-spielen dabei eine große Rolle.

Die Erfahrungen haben dazu geführt, dass podcastgerechtere Formate erprobt und angeboten werden. Besonders erfolgversprechend seien folgende Eigenschaften:

  • Länge 20 bis maximal 40 Minuten
  • Thematische Fokussierung (Microlearning), dadurch leichter wiederverwendbar
  • Kein reines Audio, sondern auch Folien.
  • Radioähnliche Formen – direkte Ansprache, eingestreute Interviews etc

Gutes Beispiel sei dafür: Die Vorlesungen von Prof. Dr. Achim Schneider. In Zukunft sollen eine Mediendatenbank und ein PodcastPortal das Angebot der Charité abrunden.

In der Diskussion wird die Frage aufgeworfen, ob man auf Videoaufzeichnung tatsächlich verzichten kann. Alles, was nicht auf dem Rechner passiert (Tafel, Experimente) kann nicht erfasst werden. Sind Tablet-PCs eventuell eine Alternative? Joachim Plener führt aus, dass in solchen Fällen ein aufwendigerer Nachbereitungsprozess (z.B. Einfügen von parallel gefilmten Videos) nötig, aber auch möglich ist.

In den Vorlesungen von Herrn Schneider hätten sich verändert: Er setzt die Kenntnis der kleinen Episoden voraus und kann seine Veranstaltungen anders fokussieren.

Podcast-University: Keynote

In der als „Keynote“ betitelten Eröffnungsrede der PodcastUniversity:zwei stellt Oliver Vornberger seine Sicht auf die Podcast-Produktion im Sinne „herkömmlicher“ Vorlesungsaufzeichnungen vor. Seine Hauptforderung: Wenn vom Dozenten verlangt wird, dass er allein die gesamte Produktion vor Ort übernimmt, müssen die technische Handhabung und die Menge zu beachtender Schritte reduziert werden.

Innovativ: Einbettung der Aufzeichnungen in Facebook mit interessanten Social-Network-Features. So kann man z.B. sehen, welche anderen Nutzer die Aufzeichnung gerade verfolgen und an welcher Stelle im Stream sie sich befinden. Das erleichtert die Kommunikation über die Inhalte, weil man andere gezielt ansprechen kann.

In der regen Diskussion geht es z.B. darum, ob die Teilnehmerzahlen sinken, wenn Vorlesungsaufzeichnungen verfügbar sind. Bei Erstsemestern sei das noch nicht so dramatisch, berichtet Herr Vornberger, aber bei den fortgeschrittenen Studenten nimmt die Beteiligung vor Ort drastisch ab. Der Effekt sei vor allem, dass gute Studenten von den Angeboten profitieren, schlechte Studenten in prokastinativem Verhalten verstärkt werden: „Das schau ich mir an einem verregneten Sonntagnachmittag alles am Stück an…“.

Weitere Fragen drehen sich darum, warum Dozenten motiviert sind, Podcasts zu produzieren – oder gerade nicht motiviert sind, welcher Mehraufwand entsteht und ob Ängste bestehen. Ich vermute: Diese Fragen werden uns den ganzen Tag über begleiten.

Podcasts/Vorlesungsaufzeichnungen von Oliver Vornberger:

Bildungsrepublik Deutschland: Nur mit 15fachem Durchschlag

Überall, wo sich in Deutschland Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Fragen der Sprachförderung und Sprachdiagnostik beschäftigen, herrschte letzte Woche Hochbetrieb. Morgen endet nämlich die Einreichungsfrist für Anträge auf Forschungsförderung in der äußerst lobenswerten Förderinitiative Sprachdiagnostik / Sprachförderung im Kontext des Rahmenprogramms zur Förderung der Empirischen Bildungsforschung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. (Ein ordentlicher Name muss schon sein..)

Zweifel an der Zukunftsorientierung der Bildungsförderungs-Bürokratie lässt dann nur folgender Absatz aufkommen:

Die Vorhabenbeschreibungen sind in 15 Exemplaren (DIN A4, doppelseitig, und 1 Exemplar einseitig und ungebunden als Kopiervorlage) und als pdf-Dokument auf CD-ROM vorzulegen.

Nicht, dass da einfach so jemand ein PDF per E-Mail schickt! Das wäre der sonst übliche Weg für derartige Ausschreibungen, meist wird zusätzlich noch ein ausgedrucktes und offiziell unterschriebenes Exemplar verlangt.

Aber irgendwie ist Bildung ja ein besonderes Gut.

Wozu gibt es eigentlich Freilandeier?

Mit meinem neuartigen Rundfunkgerät kann ich mittlerweile bei immer mehr Fernsehsendern Videoinhalte online abrufen. Inzwischen auch beim selbsternannten Kochsender VOX. Neugierig, wie gut das alles klappt, habe ich eine Folge des berüchtigten und immerhin einigermaßen unterhaltsamen Perfekten Dinners nebenher laufen lassen.

Aufhorchenswert dann folgender lustiger Dialog zum Thema »Augen auf beim Eierkauf« beim Lebensmittelhändler (Folge vom 27.8.2008):

Perfekte Dinnerin: »Ich bräuchte dann noch Eier.«

Lebensmittelhänderlin: »Was möchten Sie denn? Freiland- oder Bodenhaltung?«

Perfekte Dinnerin: »Was ist denn besser?«

Lebensmittelhänderlin: »Die sind beide gut. Was wollen Sie denn damit machen?«

Perfekte Dinnerin: »Ich möchte Nudeln machen.«

Lebensmittelhänderlin: »Dann reicht Bodenhaltung!«

Sieh mal an: Das bodengehaltene Huhn leidet nur, wenn man die Eier irgendwie anders zubereiten will. Aber woher weiß es das?

GMX-Mail kündigen oder lieber ein Herrenmagazin?

Meinen kostenpflichtigen GMX-ProMail-Account habe ich damals nur deshalb eingerichtet, weil im Monatspreis von 2,95€ gleich 50 SMS mit drin sind. Ganz ohne Handy, einfach eintippen und losschicken. Macht knapp 6ct pro SMS bzw. 7,375ct pro SMS, wenn man die 10 kostenlosen SMS im FreeMail-Tarif abzieht. Eine ganze Weile hat sich das prima gerechnet und passte gut zu meinen Anforderungen, aber jetzt habe ich festgestellt: Meine SMS-Nutzung hat sich verändert, andere Alternativen sind günstiger. Ein klarer Fall für die beliebte Kategorie „umsteigen – aussteigen – abschalten – kündigen„.

Also, einfach mal einloggen und gucken. Ah, da: „Mein Account“, direkt auf der Seite nach dem Login. Sieht doch gut aus. Was dann folgt, verschlägt mir fast den Atem:

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Sensationell! Keine ewige Suche, kein Anruf bei dubiosen Hotlines. Die Vertragslaufzeit steht einfach so da, und das auf der ansonsten hoffnungslos überfrachteten GMX-Webseite. Sowas sollte Vorschrift werden! Der Link „Tarif wechseln“ sieht ebenfalls vielversprechend aus, aber ich bin erstmal skeptisch. Üblicherweise sind Tarifupgrades problemlos online möglich, Downgrades aber nicht.

Doch ich werde schon wieder überrascht. Unter den auswählbaren Tarifen ist auch der zurückgewünschte kostenlose „FreeMail Plus“-Account.  Unfassbar. Einfach mal draufklicken… Festhalten! Es erscheint:

Ein Angebot, dass Mann nicht ablehnen kann…

Heya Safari! Ein Angebot, das Mann nicht ablehnen kann. Bei GMX bleiben und den Playboy abstauben. Wow.  Wie zum Geier kommen die denn darauf?? Lässt das Rückschlüsse auf die Zielgruppe zu? Oder ist das gar ein personalisiertes Angebot und die haben meine SMSen inhaltsanalysiert? Datenschutzbeauftragter! Hubschraubereinsatz! Aber wie kommt dann „TV-Spielfilm“ dahin?

Lange ringt und regt sich da was in mir, zumal da ganz deutlich steht: Kein Abo, Zeitschriftenbezug endet einfach so nach Ablauf der 6 Monate. Auch ungewöhnlich. Sollte ich hier zum ersten Mal  einen kundefreundlichen Umgang mit abonnierten Diensten erwischt haben? Letztendlich will ich dann doch wirklich kündigen und auf das lockende Herrenmagazin verzichten. Kein Thema, geht per Klick. Dass ich danach noch um Feedback gebeten werde, stört mich auch nicht sonderlich:

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Gut. Schnell „Angebot nicht mehr benötigt“ ausgewählt und weitergeklickt.

Am Schluss kommt dann doch noch die große Enttäuschung:

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Also doch wie immer: Bestellen, Abo abschließen, Verpflichtungen eingehen – alles kein Problem mit nur wenigen Mausklicks. Kündigen, Downgraden, Abos wieder loswerden: Nur mit Hindernissen. Warum sollte bitteschön ein einzusendendes Fax meiner eigenen Sicherheit dienen? Eine zu bestätigende Mailnachricht würde doch auch reichen, oder die Möglichkeit, die Kündigung innerhalb einer angemessenen Frist zurückzunehmen. Falls jemand mein Passwort ausspäht oder errät, ist eine ungewollte Kündigung vermutlich ein geringes Übel, verglichen mit der Möglichkeit, auf meine privaten Mails und SMSen zuzugreifen. Mein Passwort musste ich sowieso schon erneut eingeben, nicht dass jemand in einem unbeaufsichtigten Moment schnell mal unbemerkt meine virtuelle Viert-Existenz vernichtet. Ok, man könnte argumentieren: Da wird eine E-Mail-Adresse wieder frei, dich sich ein Bösewicht dann schnappen könnte und anschließend alleinigen Zugriff auf meine Mails hat. Aber das hat er auch, wenn er einfach mein Passwort ändert. Und: GMX kann ja gar nicht prüfen, ob meine Unterschrift echt ist. Ich musste zum Einrichten schließlich auch kein Fax senden, sondern nur Adresse und Kontonummer eintippen.

Und mal ehrlich: Wer hat denn heute noch ein Faxgerät? Ich muss da ja irgendwie meine Unterschrift draufkriegen, also heißt das mindestens: Ausdrucken, unterschreiben, wieder einscannen und per GMX-Faxfunktion versenden. Oder im Büro faxen. Oder nachforschen, ob es bei der Post noch die alten öffentlichen Faxgeräte gibt. Was ist eigentlich, wenn ich keinen Drucker habe? Darf ich dann GMX nicht nutzen? Bei der Account-Einrichtung wurde mir nicht gesagt: „Falls Sie Ihr Abo jemals wieder loswerden wollen, benötigen Sie einen Drucker und ein Faxgerät.“ PDF draus machen und Unterschriftsgrafik reinfrickeln ist für den Normalnutzer wohl keine Alternative.

Immerhin: Das Formular muss nur Datum und Unterschrift bekommen, alles andere ist schon ausgefüllt und es sagt mir plötzlich: Du kannst mich auch per Post schicken. Das wird aber natürlich nicht zu früh verraten. Nicht dass jemand, der denkt „Oh je, das ist mir alles zu stressig, da nehm ich doch lieber den Playboy…“ verleitet wird, die Kündigung durchzuziehen.

Witzig auch die 5-Tage-Frist. Zu meiner Sicherheit, natürlich. Morgen ist Freitag, wenn ich meinen Brief dann abschicke und der nicht Montag da ist, könnte es schon knapp werden.  Ich probier’s einfach aus. Ohne Einschreiben. Mal schauen, was passiert.

Fazit: Es fing gut an und endete wie üblich. Schade. Und jetzt bekomm ich nichtmal ’nen Playboy.

Von Siebenzwergen und gelben Seitenverlagen

Vielleicht ist das gelb zu grell und die Werbetexter haben nicht gemerkt, wann der Kopf unkontrolliert auf die Leertaste knallt. Oder das orthographische Zentrum im Hirn war vom Debilenquizerfinden schon dollarzeichentrunken durchweicht? Man weiß es nicht… Das Ergebnis jedenfalls springt uns derzeit überall in dieser Form entgegen:

Gelbeseiten und Siebenzwerge

99 Republiken und ziemlich wenig über viel Bildung

Politik wird oft von Symbolhandlungen dominiert. Probleme mit Arbeitslosigkeit? Eine Arbeitsoffensive muss her. Probleme mit der Bildung? Klar, Bildungsoffensive. Irgendwie unklare Probleme? Kein Thema: Innovationsoffensive.

So viel Offensive nutzt sich ab, WM, EM und Olympiade sind inzwischen auch vorbei. Da muss was Neues her. Nun haben also Frau Merkels RedenschreiberInnen ganz frisch für die Festveranstaltung „60 Jahre Soziale Marktwirtschaft“ einen neuen Begriff erfunden: Die „Bildungsrepublik Deutschland“ (hier die Rede im Volltext):

Und so führen uns diese Überlegungen zu dem für Einstieg und Aufstieg aus meiner Sicht entscheidenden, dem zentralen Stichwort unserer Zeit: Bildung. Ich sage es in einem Satz: Wir müssen die Bildungsrepublik Deutschland werden. Das ist es, was unsere Zukunft für die nächsten Jahrzehnte sichert.

Bildungsrepublik Deutschland werden zu müssen sichert die Zukunft? Dann haben wir’s ja geschafft.  Im Bildungsrepublik-Werden-Müssen sind wir ziemlich gut.

Eine Politikerrede – eine Festrede besonders – muss von kunstvoller Dialektik geprägt sein, wie die einzige Aussage zum Zustand der Hochschulen demonstriert:

Unsere Hochschulen müssen Weltklasse sein und sie sind es zum Teil auch.

Hmm. Und was sagt uns das? Wenn sie es „zum Teil auch“ sind, braucht es keine Exzellenzinitiative, weil die besten ja schon Spitze sind.  Wenn alle es werden sollen, braucht es keine Exzellenzinitiative, denn die fördert ja nur Leuchttürme und nicht das Fundament im Ganzen (auf dem Papier soll sie das natürlich auch irgendwie so ein bisschen zumindest). Na gut, Schwamm drüber.

Prima zu wissen, dass wir ziemlich super sind:

Wir sind das Land der Ideen. Wir wollen das Land der Ideen bleiben und wir wollen, dass immer mehr Menschen mit exzellenten Ideen dazu beitragen können.

Jo! Ich will auch, dass alles so bleibt wie es ist und ein bisschen besser wird.

Aber nochmal zurück zur „Bildungsrepublik“. Was sollte das denn sein? Werden die Bundesländer abgeschafft und durch Schulen oder Bibliotheken ersetzt?

Kalauer beiseite, gemeint ist wohl: „eine Republik, die sich vor allem (und natürlich anderen) durch Bildung auszeichnet“. Ich bin mir fast sicher, dass bei UNO und IOC noch keine Anträge eingegangen sind, die offizielle Bezeichnung der Bundesrepublik Deutschland entsprechend zu ändern. Also klarer Fall – Symbolkommunikation:

Symbolkommunikation bezieht sich auf die Rolle der unsichtbaren, im gesellschaftlichen Umgang aber erfahrbaren Wertschätzung, welche Personen, Institutionen, Produkten und Leistungen anhaftet. Diese Wertschätzung ist ein sozial konstruierter Attribute-Raum, welcher die Dinge umgibt, über die wir kommunizieren, und es ist dieser Raum, welcher letztlich unsere Einstellung ihnen gegenüber bestimmt. Wir nennen diesen Raum symbolisch und wir nennen den Umgang mit ihm Symbolkommunikation.

Den sprachlich Interessierten führt das zu der Frage: Was für sprachlich-symbolhafte Attributzuweisungen haften unserer Republik denn noch so an? Fragen wir mal das Projekt Deutscher Wortschatz. Dessen Quellen sind zwar stark Print-Medien-lastig, was für Fragen zur Alltagssprache unrepräsentativ ist, aber politischer Journalismus ist dort bestens vertreten. Also fix nach „*republik“ gesucht. Die um Dopplungen, Rechtschreibfehler und geographische Bezeichnungen (Alpenrepublik, Kaukasus-Teilrepublik) bereinigte Trefferliste kennt 99 Republikentypen:

ABM-Republik
Adelsrepublik
Adenauer-Erhardt-Republik
Adenauer-Republik
Altbundesrepublik
Altenrepublik
Apartheid-Republik
Arbeitgeberrepublik
Armutsrepublik
Athosrepublik
Bakschisch-Republik
Bananenrepublik
Bauernrepublik
Beamtenrepublik
Betriebsräte-Republik
Bruderrepublik
Bundesrepublik
Bürgerrepublik
Canossarepublik
Chaos-Republik
Einwanderungsrepublik
Fernsehrepublik
Fußballrepublik
Fußgängerzonenrepublik
Förder-Republik
Gangsterrepublik
Gebühren-Republik
Geistesrepublik
Gelehrtenrepublik
Greisenrepublik
Gründerrepublik
Gute-Laune-Republik
Handball-Republik
Handelsrepublik
Hartz-IV-Republik
Hippie-Republik
Judenrepublik
Konfliktrepublik
Konsensrepublik
Krisenrepublik
Künstlerrepublik
Küstenrepublik
Lafontaine-Republik
Landwirtschaftsrepublik
Medienrepublik
Mini-Republik
Mittelmaßrepublik
Musterrepublik
Mönchsrepublik
Nachfolgerepublik
Nachkriegsrepublik
Nanorepublik
Negerrepublik
Neidrepublik
Pionierrepublik
Poprepublik
Praktikantenrepublik
Prominentenrepublik
Präsidialrepublik
Präventivrepublik
Pöbelrepublik
Rebellenrepublik
Rebenrepublik
Rest-Republik
Riesenrepublik
Rundum-Sorglos-Bundesrepublik
Räterepublik
Schmiergeldrepublik
Schrumpf-Republik
Schröder-Republik
Schwarzenrepublik
Seerepublik
Seniorenrepublik
Spaßrepublik
Spießerrepublik
Stadtrepublik
Start-Up-Republik
Subventionsrepublik
Sunni-Republik
Tele-Republik
Traumrepublik
Trümmer-Republik
Umerziehungsrepublik
Unionsrepublik
Unruherepublik
Untergrund-Republik
Untertanenrepublik
Verbraucherrepublik
Volksrepublik
WM-Republik
Weltbürgerrepublik
Weltrepublik
Westerwelle-Republik
Wirtschaftswunderbundesrepublik
Wohlfahrtsrepublik
Wohlstandsbundesrepublik
Zwergenrepublik
Zwergrepublik
Zwillingsrepublik

Sieh mal an! Ich finde: Es ist ein großer Spaß nachzusinnen, ob denn da im Einzelnen unsere gute alte BundesBildungsrepublik gemeint sein könnte. Und ich welchem zeitgeschichtlichen Zusammenhang. Jeder Einzelfall lässt sich mit Belegen beim Projekt Deutscher Wortschatz nachlesen. Und zumeist sieht man: Die negativ-sarkastisch aufgeladenen Begriffe verweisen gern auf Deutschland.

Woran liegt das nur?