Freudsche Performanz-Kompetenz, oder: Spotte nur, wer mit dem Duden aus dem Glashaus wirft

Spotten ist ja so einfach! Meine Blog-Kategorie »Außergewöhnliche Rechtschreibleistungen« sammelt mehr oder weniger kreative rechtschriftliche Normabweichungen und mein scharfer Adlerblick bleibt fast überall hängen, wo ein Komma verrückt, ein Leerzeichen zu viel ist oder eine Pizzaria Pizzeria gleich neben dem groben Orthoschnitzer den Namen »Triumph« aushängt.

Heute blieb mein Blick mal in der Nähe hängen und zwar bei meinem eigenen Blog. Oh Schreck! Seit Monaten prangte da Folgendes in der Blogroll:

blogroll_mit_rechtschreibfe1.jpg

Sorry, Tim! Dein spannendes Lehre-Blog zum Thema »Medien, Bildung und Gesellschaft« ist natürlich nicht mit Absicht verballhornt worden. Chomsky unterscheidet, sprachwissenschaftlich betrachtet, zwischen Kompetenz und Performanz. Analog lässt sich, z.B. bei Rechtschreibfehlern, zwischen Kompetenzfehlern und Performanzfehlern differenzieren. Oder anders gesagt: »Es nicht besser wissen« oder »es grad nicht besser hinkriegen«. Mein Fehler fällt wohl in die letztere Kategorie. Jetzt hab ich’s besser hingekriegt und erledige den Spott hier gleich mit.

Aber gerade da es um Tim geht: Man könnte argwöhnen, höhnen oder einfach nur mutmaßen, dass der Typo etwas mit einem Herrn Freud zu tun hätte. Das weise ich aber entschieden von mir. Total!

Ich bin immer noch kein Designer

Das virtUOS hat inzwischen eine ganze Menge zu tun. Kein Vergleich mehr mit den paar Männeken, die wir vor mehr als fünf Jahren mal waren, als jeder noch ganz genau wusste, was jeder andere den ganzen Tag über ausbrütet. Nachdem das Rechenzentrum Ende letzten Jahres so einen schicken neuen Flyer herausgegeben hat, in dem es alle seine Dienstleistungen beschreibt, hieß es auch für uns: Der alte Flyer ist überhaupt nicht mehr up2date. Da muss was Neues her!

Nichts aber ist langweiliger als lange Listen von Forschungsprojekten, Themen und Produkten, die lieblos heruntergerattert und nicht miteinander in Beziehung gesetzt werden. Beim Relaunch unserer Homepage im letzten Sommer haben wir versucht, die Zusammenhänge durch viel Querverlinkung und die geschickte doppelte Aufbereitung als Themen – spannend für die, die mit einer Idee ankommen und nach Lösungen suchen – und Produkte – spannend für die, die schon virtUOS-Dienste nutzen und dabei Unterstützung suchen – transparent zu machen. In einem Flyer ist aber nur wenig Platz und Links lassen sich auf Papier auch schlecht anklicken.

Meiner alten Begeisterung für selbstorganisierende Karten folgend, entstand schnell die Idee, eine zweidimensionale Landkarte der virtUOS-Themen und -Produkte zu entwerfen. Ich hatte dabei ganz buchstäblich an Landkarten gedacht: Da gibt es Regionen, wie z.B. »Niedersachen« oder »Vorlesungsaufzeichnung«, und Orte, wie z.B. »Osnabrück« oder eben »virtPresenter«. Zunächst hatten wir vermutet, dass es schwierig sein wird, die inhaltliche Nähe von Themen und Produkten, sowie die nicht scharf abgegrenzten Zuständigkeiten der drei virtUOS-Geschäftsbereiche in nur zwei Dimensionen abzubilden. Geschweige denn, darüber Konsens herzustellen. Aber das ging erstaunlicherweise ganz schnell. Natürlich ist das Ergebnis nicht perfekt, kann es auch gar nicht.

Schwieriger war die graphische Gestaltung, die jetzt fast drei Monate voller Irrungen, Wirrungen und Warteschleifen (soo wichtig ist angesichts des Tagesgeschäfts ein Flyer schließlich nicht) hinter sich hat. Und obwohl ich immer noch kein Designer bin, ist die Aufgabe letztendlich zu mir zurückgekommen und hängengeblieben.

Eigentlich hatte ich mir das Ding viel landkartenartiger vorgestellt, mit grünen Wiesen, sanften Hügelketten und fruchtbaren Marschen. Manchmal treffen sich aber Fähigkeiten und Ergebnis doch noch auf erfreulich schlichte Weise und hier ist nun die großartige Was-virtUOS-alles-tut-und-forscht-Landkarte (demnächst gedruckt in Ihren Händen):

virtuos_landkarte_klein.jpg

Wichtiger Hinweis: Die allermeisten der Dinge tun wir nicht allein. Andere zentrale Einrichtungen, allen voran das Rechenzentrum und die Bibliothek, sind wesentlich beteiligt, ebenso viele Wissenschaftler aus den Fachbereichen, die als Projektleiter, Ideengeber oder kritische Begleiter Wichtiges leisten. Hinzu kommt der Austausch mit anderen Hochschulen, ganz intensiv der FH Osnabrück und anderen Partnern in Niedersachsen und darüber hinaus. Das passte, meinen begrenzten graphischen Fähigkeiten geschuldet, jetzt aber nicht mehr auf die Karte.

Meine Liebling Pizzer Firma

pizzaria.jpg

Gesehen in Oldenburg, direkt von meinem Hotelzimmer aus.

P.S.: Der Titel dieses Beitrags stammt aus einem Bericht bei ciao.de, der zwar auch orthographisch interessant gestaltet ist, aber sich dessen immerhin auf sympathische Weise bewusst ist und nicht noch darüber triumphiert.

Portishead klingt wie (völlig unbekannten Rezensentenposerbandnamen einsetzen)

Absolut jedes Vorder- und Hinterwäldlerblogblättchen muss sich ja derzeit mit einer Portishead-Rezension schmücken. Aber wie soll sich da der anspruchsvolle Rezensent profilieren? Er kramt in seinem quasi unendlich großen musikhistorischen Wissensschatz und baut haufenweise »Song XY klingt wie…«-Aussagen in seinen Text ein. Kann der Leser zwar nicht so wirklich nachvollziehen, meistens, klingt aber nach großer Kompetenz.

Vier Beispiele rund um »We carry on« müssen reichen:

laut.de findet:

Bei „Small“ und auch bei „Threads“ sind sie vorwiegend Krautrock und klingen nach Amon Düül II oder Deep Purples „Child In Time“. Mit „We Carry On“ zollen sie ihren Tribut an Joy Divisions „She’s Lost Control“ […].

An anderer Stelle ebenfalls laut.de in einem Interview:

Und vielleicht auch deutsche Bands, wie Can? Auf „Third“ gibt es ein Stück, was sich sehr nach Einstürzende Neubauten anhört. „We Carry On“.

Noch besser weiß es aber Sebastian Reier im ZEIT-Tonträger-Blog unter dem Titel »Lass das Jammern, Eule«:

So originell wie behauptet wird, ist das alles nicht. Für das Stück We Carry On sollten sie Geld an die Silver Apples überweisen. Deren Stücke You And I und Oscillations aus den späten Sechzigern werden hier einfach kopiert.

Ein hoffentlich ironisch gemeintes Rezensions-Glanzstück liefert Peter Mühlbauer ab und meint:

[We carry on,] das klingt wie ein Mashup aus der EBM-Version eines Throbbing-Gristle-Stücks mit Beth Gibbons und Factory-Gitarre sowie Machine Gun, mit Beats wie der ganz frühe Schoolly D

Der gute alte Schoolly D. Wer hätte das gedacht?! Tolle Sachen, jedenfalls. Kann ich aber auch. Also:

»Magic doors« ist ganz definitv von »Elektrobank« der Chemical Brothers abgekupfert. Hört mal richtig hin!

Das Ende von »Machine Gun« markiert eine Synthie-Sequenz (ab 4:01), die von Kraftwerks »Neonlicht« »Metropolis« stammen könnte. Ja!

Und, mein »We carry on«-Beitrag: Das klingt doch ganz offensichtlich total wie ein Jitterbug aus den 1930ern! Natürlich ein ganz früher, authentischer Jitterbug, nicht diese verschwuchtelte Wham-Sache! Man denke z.B. nur mal an den kurzen Jitterbug aus dem »Mullholland Drive«-Intro. Also wirklich aber!

Und wer weiß, was mir noch alles auffällt. Übrigens: Tolle Platte. Meine Vorfreude hat sich gelohnt und ich finde: Muss man gehört haben.

Wenn culture=DE, dann Fahrrad=kompliziert

Bei mehrsprachigen Webseiten ist es nicht unüblich, die vom Nutzer gewählte Sprache in der URL mitzuschleppen, damit das brave seitenausliefernde Content-Management-System auch weiß, in welcher Sprache es die leckeren Inhalte servieren soll. Erkennbar ist sowas dann z.B. an einem »?language=DE« oder ähnlichem in der Adressleiste. Da achtet man normalerweise gar nicht drauf, Hauptsache auf der Seite steht das Gewünschte.

Auf die genaue URL habe ich natürlich auch nicht geguckt, als ich kürzlich herausfinden wollte, ob und zu welchen Bedingungen Ryanair denn gegebenenfalls mein Fahrrad transportieren würde. Aber nach kopfschüttelndem Konsum des letztendlich gefundenen Textes sprang mir diese Adresszeile der FAQs ins Auge: http://www.ryanair.com/site/DE/faqs.php?culture=DE.

Deutsch ist also weniger eine Sprache als vielmehr eine Kultur, insbesondere wenn es ums Fahrrädermitnehmen geht. Aber lesen Sie selbst:

Sportausrüstungsgegenstände, einschließlich, jedoch nicht beschränkt auf große Angeln, Golfschläger, Fahrräder, Roller, Fechtausrüstungen, Surfbretter, Bodyboards, Snowboards und Skier, sowie große Musikinstrumente, einschließlich, jedoch nicht beschränkt auf Harfen, Kontrabässe und Schlagzeuge sind für den Transport durch Fluggesellschaften wie Ryanair ungeeignet, für die nur kurze Einstiegszeiten gelten.

Aha. Etwas umständlich formuliert, aber soll wohl sagen: Nö. Keine Fahrräder. Auch keine Harfen oder Fechtausrüstungen. Schade. Aber der Text ging noch weiter:

Bei Buchung zur Zeit der Reservierung unter www.ryanair.com können solche Gegenstände jedoch gegen eine zusätzliche ermäßigte Gebühr pro Gepäckstück und pro Einzelflug zusätzlich zum persönlichen Freigepäck im Laderaum des Flugzeugs mitgeführt werden.

Also doch? Sind sie nun ungeeignet oder nicht? Und was heißt ermäßigte Gebühr? Ermäßigt gegenüber was? Lesen wir weiter:

Wenn der Gegenstand nicht bis zur Ankunft am Flughafen oder in einer Ryanair-Buchungszentrale gebucht wurde, wird der volle Tarif berechnet.

Welcher volle Tarif? Wie bekomme ich meine Harfe denn in eine Buchungszentrale? Die vollständige Auflösung verspricht dann folgender Link:

(Klicken Sie hier, um Einzelheiten zu erhalten.)

Nun bliebe nur noch zu fragen, ob Ryanair die gewünschte Information (Ja, Fahrradmitnahme begrenzt möglich, kostet bei Vorabbuchung 30€ pro Flug, bei Buchung vor Ort 40€ pro Flug) für andere deutschsprachige Kulturen kundenfreundlicher aufbereitet. Aber alle Versuche, sei es mit culture=AT, culture=CH, culture=nds oder culture=ksh schlugen fehl. Ein wenig Hoffnung hatte ich noch auf culture=bar gesetzt, dieses Naturvolk ist ja schließlich für klare Ansagen bekannt, aber ebenfalls: Fleitepiepen.

P.S.: Natürlich ist der Paramater »culture« von Ryanair nicht einfach nur skurril. Wer genau hinschaut, findet in der URL http://www.ryanair.com/site/DE/faqs.php?culture=DE die Sprache ja auch doppelt kodiert: ..site/DE/.. und culture=DE. Das entspricht z.B. den üblichen zweiteiligen Angaben für POSIX-Locales. Denn bei »gleicher« Sprache können, abhängig vom Land, oder wenn man so will, der Kultur, unterschiedliche Konventionen, Regelungen oder ganz offensichtlich: Gesetze gelten. Deutsch in Deutschland ist nicht gleich (spannender Artikel der NZZ!) deutsch in der Schweiz, ebenso wenig englisch in Großbritannien und den USA. Gerade international operierende Firmen teilen die Welt unabhängig von Sprachen in Regionen mit unterschiedlichen Angeboten, unterschiedlicher Preisgestaltung und unterschiedlichen Services. Ryanair bietet FAQs für die meisten Länder nur in englischer Sprache an. Trotzdem können in Portugal dann andere Regelungen gelten als in Norwegen. Zum Beispiel für die Fahrradmitnahme, vielleicht.

Irre Klotztypenauflösung

Vor ein paar Tagen hatte ich gefragt, was sich wohl hinter »Irren Klotztypen« verbergen mag. Leider kam keine der Kommentatorenvermutungen auch nur in die Nähe der Wahrheit. Leider? Zum Glück? Man weiß es nicht..

Tatsächlich geht es um ein neues Nintendo-DS-Spiel: Jenga. Ja! Jenga. Die Mikadovariante mit den Holzklötzchentürmen, die irgendwann umfallen, wenn man beim Rausziehen zu doll wackelt. Über Sinn und Zweck einer virtuellen Variante dieses lustigen Spiels, das ja gerade vom Anfassen lebt, mag man streiten.

Normales Jenga umzusetzten, war den Entwicklern jedenfalls zu wenig, so dass sie neben den bekannten und bekannt unirren Holzklötzen noch viele weitere tolle irre Klotztypen integriert haben. Leider (oder zum Glück?) kann ich da nur raten: Vielleicht blinkende, widerhakenbesetzte, kaugummiartige, nationalhymnensingende oder gar plötzlich wegteleportierende, die zu Zombies werden?

Ich fand jedenfalls den Kommentar von SethSteiner ganz treffend:

Also erstmal, natürlich das Spiel grenzt an absoluter Lächerlichkeit, es ist skuril soetwas auf dem DS zu bringen, aber ist deswegen diese Art der Kritik verständlich? Ich denke nicht, die Welt lebt von diesen Skurilitäten, dem anderen und lustigen verrückten Sachen

Einiges von noch zu wünschenden und, wie es scheint, möglichen Vervollkommnungen des Eisenbahnwesens

Ach! Die Bahn! Nahezu lichtschnell sausen Hochgeschwindigkeitszüge durch die Lande, verbinden Metropolen und machen Entfernungen vergessen. Ganz selbstverständlich scheint es uns, von Stadt zu Stadt in Augenblicken zu reisen und gleichsam Weltbürger zu sein. Dabei ist dieser vollkommene Luxus noch gar nicht so alt. Vor nur 150 Jahren hielt man der Bahn noch ängstlich befürchtend entgegen, dass des Menschen Gesundheit bei hohen Geschwindigkeiten ernsthaften Schaden nehmen könne.

Diese Befürchtung teilen auch heute noch die Betrieber der Baumberge-Bahn von Münster nach Coesfeld mit Zwischenhalt in Havixbeck und Billerbeck. Immer fürchtend, die eigenen, höchstens fußgängerschnellen Gedanken zu verlieren und so zum seelenlosen Wesen zu werden, zuckelt das Bähnchen pittoresk auf eingleisiger Strecke durch Gärten und Siedlungen.

Dass für nur 30 Kilometer endlose 45 Minuten ins Land gehen, liegt aber nicht etwa an milchkannenhäufigen Vollbremsungen mit Absprungsmöglichkeit. Nein. Man zelebriert das zahme Dahingleiten auf Schienen, auf kurviger Strecke durch kurvige Landschaft. Die Wikipedia weiß dazu zu schwärmen: »Die Strecke selbst ist dabei sehr kurvenreich angelegt und durchfährt in Einschnitten und auf Dämmen die reizvolle Landschaft der Baumberge.«

Das Allerschlimmste aber: In Coesfeld endet die Beschaulichkeit. Wurde früher die meditative Fahrt bis nach Bocholt und darüber hinaus in die Niederlande fortgesetzt, heißt es heute: Umsteigen in den Bus! Und der mäandert nicht durch grüne Wiesen, Hügellandschaften und unberührt scheinendes Land, sondern wirre Schleifen fahrend durch Wohnsiedlungen. Die sind gnadenloser als alle Vorsicht, den eigenen Verstand zu verlieren.

Man gebe mir Hügel!

Irre Klotztypen

Obwohl es schon leicht anfing zu nieseln, bin ich heute am späten Nachmittag noch kurz durch die Fußgängerzone gehechtet, um die eine oder andere Besorgung zu erledigen. Irgendwann, irgendwo blieb mein Blick an einer tollen Nominalphrase hängen:

Irre Klotztypen!

Bevor ich das Ganze in wenigen Tagen auflöse, fordere ich hiermit die Phantasie der Kommentatoren heraus: Was könnte damit gemeint sein? Worauf könnte sich das beziehen? Hinweis: In diesem Blog findet sich mindestens ein Beitrag, der zumindest grundsätzlich etwas damit zu tun hat.

Wieviel ist das Wird?

Marcel hat vor ein paar Tagen hier in der weltgroßartigsten Uni-Blogfarm ein Statistik-Plugin installiert, das nun erschreckende Einsichten in die Beliebtheit des eigenen Blogs eröffnet. Besonders spannend sind ja immer die Google-Referrer, sprich die Suchbegriffe, über die Besucher hierhin gefunden haben.

Heute bin ich dabei über Interessantes gestolpert:

Wieviel ist das wird?

Ja, tatsächlich. Kein Scheiß. Das hat jemand bei Google eingegeben und hat dann als allerersten Treffer meinen Teuronörgler-Beitrag aus Passau gefunden. Erstaunlich.

Ich habe daraufhin einige verwandte Suchanfragen gestartet und auf die Ergebnisse (jeweils unter den Top 3) geschaut:

Wieviel ist das Sein? – Auslandsknigge – Wieviel Körperkontakt darf’s sein?

Wieviel ist das Jetzt? – Wieviel PS hat jetzt der X5 3D?

Wieviel ist das Bald? – Hilfe! Ich platze bald!

Wieviel ist das Morgen? – Ab wieviel Uhr am Morgen darf man Staubsaugen?

Wieviel ist das Vergessen? – Das Elfchen macht den Mund wieder zu weit auf

Wieviel ist das Bloggische? – Meinten Sie: wieviel ist das biologische ?

Was sagt uns das alles? Die höchste Zeit ist die Schlafenszeit.

85% Kinder sicher?

Vor ein paar Tagen bin ich über ein Feuerzeug mit einem seltsamen Aufkleber gestolpert:

85% kindersicheres Feuerzeug

Was möchte uns das Piktogramm sagen? Dieses Feuerzeug macht 85% der Kinder traurig? Mit diesem Feuerzeug brennt ihr Kind nur zu 15% ab?

Ein genauerer Blick auf das Feuerzeug offenbart: Ja, es hat eine neuartige Kindersicherung in Form einer zusätzlichen Schelle über dem geriffelten Rad. Man muss eine gewisse Kraft und ein gewisses erhöhtes feinmotorisches Geschick aufbringen, um es zum Feuern zu bringen. Prima Sache! Feuerzeuge gehören schließich nicht in Kinderhände und wenn jede Putzmittelflasche eine Kindersicherung hat, warum dann nicht auch Feuerzeuge. Aber was, bitteschön, haben die ominösen 85% zu sagen?

Ein bisschen Webrecherche führt schnell zur gewünschten Erklärung:

Please be aware that a child-resistant lighter is not a child-proof lighter. A child-resistant lighter is a lighter that at least 85% of children under 51 months of age cannot operate. This means that up to 15% of children may still be able to operate such a lighter.

Seit spätestens 11. März 2008 müssen fast alle in der EU verkauften Feuerzeuge den 85%-Kindersicherheits-Anforderungen genügen. Jetzt fragt man sich nur noch: Wie wird das getestet? Nimmt man sich 100 Kinder unter 51 Monaten und schaut, wie viele davon sich die Haare ansengen? Werden diese Kinder auch ordnungsgemäß entlohnt und gemäß JArbSchG behandelt? Sind da deutsche Kinder genauso unpfiffig wie, sagen wir mal, dänische?

Nein, nein. Natürlich haben ISO und EN die Testverfahren gleich mitnormiert und sie kommen ganz ohne echte Kinder aus. In einem überraschend interessant bebildertem Dokument wird erläutert, wie man die diversen Sicherheitstests (nicht nur zum Kinderschutz) durchführt. Sehr informativ zur ganzen Thematik ist übrigens auch eine Broschüre des Referates Produktsicherheit der Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz der Freien und Hansestadt Hamburg (schöner Name für ein Referat!). Interessant hierin der Begriff »Novelty-Feuerzeuge«:

Zu diesen Feuerzeugen zählen beispielsweise Nachbildungen von Cartoonfiguren, Spielzeugen, Schusswaffen, Uhren, Telefonen, Musikinstrumenten, Fahrzeugen, dem menschlichen Körper oder Körperteilen, Tieren, Nahrungsmitteln oder Getränken oder Feuerzeuge, die Melodien spielen oder Feuerzeuge mit Lichteffekten, bewegten Gegenständen oder anderen unterhaltenden Effekten.

Sowas ist jetzt komplett verboten. Darf überhaupt gar nicht mehr für den europäischen Markt hergestellt oder importiert werden. Solche Feuerzeuge sind nämlich auch für die 85% normalpfiffigen Kinder so interessant, dass der Schutz nichts nützt.

Andere spannende Ergänzung: Für »Luxusfeuerzeuge« gilt die ganze Vorschrift nicht. Da passen nämlich die Eltern so gut drauf auf, dass kein Kind sie in die Pfoten bekommt. »Lex Zippo« würde man das wohl nennen.

Bleibt letztlich noch zu fragen, wie viel Prozent der Erwachsenen an einer 85%-Kindersicherung scheitern und ob die 15% inkauf genommener weiter feuergefährdeter Kinder nun irgendeiner Art von Selektionsdruck unterworfen sind, der irgendwann Effekte zeigt.