Podcast-University: Keynote

In der als „Keynote“ betitelten Eröffnungsrede der PodcastUniversity:zwei stellt Oliver Vornberger seine Sicht auf die Podcast-Produktion im Sinne „herkömmlicher“ Vorlesungsaufzeichnungen vor. Seine Hauptforderung: Wenn vom Dozenten verlangt wird, dass er allein die gesamte Produktion vor Ort übernimmt, müssen die technische Handhabung und die Menge zu beachtender Schritte reduziert werden.

Innovativ: Einbettung der Aufzeichnungen in Facebook mit interessanten Social-Network-Features. So kann man z.B. sehen, welche anderen Nutzer die Aufzeichnung gerade verfolgen und an welcher Stelle im Stream sie sich befinden. Das erleichtert die Kommunikation über die Inhalte, weil man andere gezielt ansprechen kann.

In der regen Diskussion geht es z.B. darum, ob die Teilnehmerzahlen sinken, wenn Vorlesungsaufzeichnungen verfügbar sind. Bei Erstsemestern sei das noch nicht so dramatisch, berichtet Herr Vornberger, aber bei den fortgeschrittenen Studenten nimmt die Beteiligung vor Ort drastisch ab. Der Effekt sei vor allem, dass gute Studenten von den Angeboten profitieren, schlechte Studenten in prokastinativem Verhalten verstärkt werden: „Das schau ich mir an einem verregneten Sonntagnachmittag alles am Stück an…“.

Weitere Fragen drehen sich darum, warum Dozenten motiviert sind, Podcasts zu produzieren – oder gerade nicht motiviert sind, welcher Mehraufwand entsteht und ob Ängste bestehen. Ich vermute: Diese Fragen werden uns den ganzen Tag über begleiten.

Podcasts/Vorlesungsaufzeichnungen von Oliver Vornberger:

media2mult: virtUOS-Projekt als Titelthema in der c’t

„PDF aus dem Wiki“ steht auf der Titelseite der aktuellen c’t 18/2008 (ab morgen im Handel). Dahinter verbirgt sich ein gleich fünfseitiger Artikel von Martin Gieseking und Oliver Vornberger über ein Projekt des Zentrums für Informationsmanagement und virtuelle Lehre der Uni Osnabrück. Die Ursprünge reichen zu der Frage zurück: Wie entsteht eigentlich optimalerweise ein Vorlesungsskript, das zugleich auch online verfügbar ist? Prof. Vornberger hatte dazu bereits seit langem mit einem Konvertierungssystem namens mas2tex experimentiert: Aus einer einzigen und relativ simplen Auszeichnungssprache werden mit hohem Qualitätsanspruch Online- und Offline-Inhalte generiert. media2mult – der Name des neuen, Wiki-basierten Systems – vereinfacht die Erstellung nochmals und eröffnet neue Möglichkeiten.

Klar, LaTeX, Word und Konsorten können auch HTML oder PDF oder anderes generieren. Aber dabei wird zumeist nur eine kleine Teilmenge der jeweiligen Möglichkeiten unterstützt. Online-Inhalte bieten: Aktive Links, Multimedia-Elemente wie Videos und Audios oder gar interaktive Elemente wie Formulare, Gästebücher, Notizbuchfunktionen. Gute druckbare Dokumente haben ein professionelles seitenbasiertes Layout, ein automatisch generiertes Inhaltsverzeichnis und andere Referenzen und Querverweise. Der Clou bei media2mult liegt in medienabhängigen Konvertierungsroutinen. Ein eingebundenes Video wird im Web als Video, im Druck als Vorschaubild ausgegeben, eine per gnuplot beschriebene Funktion live und in der richtigen Auslösung geplottet, eine Audiodatei wird für den Druck mit einem beschreibenden Ersatztext ersetzt.

Das epolos-Teilprojekt „Autorensysteme“ hat im virtUOS eine lange Geschichte. Bereits 2002 haben wir darüber diskutiert: Wie wollen und können Lehrende möglichst einfach aber gleichzeitig flexibel Vorlesungsskripte erstellen und immer wieder überarbeiten? Ein Diskussionskern: WYSIWYG oder nicht? Kann man Dozenten zumuten, XML zu schreiben? Herausgekommen ist ein entschiedenes Jein! Wikis im Sinne simpler Conten-Management-Systeme bieten eine schnelle Vorschau, sind aber im Bearbeitungsmodus an eine einfache und logische Auszeichnungssprache gebunden. XML ist daraus leicht ableitbar, wird aber nicht von den Autoren selbst geschrieben.

So ist mittlerweile ein großer Zoo an Wiki- und media2mult-Anwendungen entstanden. Unser bevorzugtes Wiki-System ist PmWiki – trivial zu installieren, einfach zu erweitern und umfassend gestaltbar. Große E-Learning-Projekte wie English Language and Linguistics Online (ELLO) oder Mediale Produktion (Medida-Prix-Finalist 2008)  verwenden PmWiki, ebenso die virtUOS-Webseite, die Stud.IP-Online-Hilfe, die Wikifarm für die 140 allgemeinbildenden Schulen in Stadt- und Landkreis Osnabrück. Für alle gilt: Primär sind die Angebote für das Web gedacht und mit interaktiven Features angereichert. Suchfunktionen, interaktive Quizzes und Fragen zur Selbstüberprüfung, enge Anbindung an Stud.IP mit Rechtekontrolle. Aber dank media2mult können all diese Angebote auf einen Klick auf ein attraktives PDF-Dokument generieren. Oder einen HTML-Baum, der auch eine CD-Rom gepresst werden kann. Oder, oder, oder: Die Grenzen der Phantasie sind hier längst noch nicht ausgelotet.

Auch der umgekehrte Weg ist erfolgreich: Manchmal steht das gedruckte Produkt als Ziel im Vordergrund, auf dem Weg dahin sind aber viele Autoren beteiligt. Das Stud.IP-Dozentenhandbuch ist von Dutzenden Autoren in einem Wiki erstellt worden. In vielen Seminaren und anderen Lehrveranstaltungen an Uni und FH Osnabrück  werden die Studienarbeiten im Wiki erarbeitet und dann auf Knopfdruck in ansprechendem Drucksatz ausgeworfen. An Schulen beginnen derzeit die ersten Schülerinnen und Schüler, Ihre Studienarbeit im Wiki zu schreiben. Dadurch können Lehrer besser und früher coachen und Tipps geben und das Endergebnis ist fertig, wenn der Text fertig ist: Kein Rumfummeln mit Word und Co. in einer durchgemachten Nacht vor Abgabeschluss.

Cross-Media-Publishing wird durch die Verbindung von Wiki und media2mult-Konvertierungswerkzeugen auf eine neue Ebene gehoben. Nicht mehr die kleinste gemeinsame Teilmenge der Medien wird bestimmend, sondern die Autoren können mit einem Quelldokument die Möglichkeiten optimal ausnutzen. Das Basisprinzip Wiki macht zudem schon den Erstellungsprozess flexibler: Viele können mitarbeiten und das im Wachsen begriffene Dokument ist gleichzeitig eine Web- und E-Learning-Anwendung. Diese Vielfalt erfordert aber auch sorgfältige Planung und Steuerung. Die Erfahrungen zeigen: Für fast jedes Szenario lassen sich gute und einfach handhabbare Lösungen mit wenig Aufwand umsetzen.

myUOS: Studierendenportal der Uni Osnabrück startet demnächst

„Wo finde ich eigentlich…“ ist eine der häufigsten Fragen von Studienanfängern und auch von manchem alten Hasen. Das gilt auch für elektronische Dienste. Stud.IP, Webmail, Prüfungsanmeldung, Bibliothekszugang – bei der Fülle an Angeboten kann man sich schonmal verlaufen.

Diese, aber nicht nur diese Frage geht das Studierendenportal myUOS an, das demnächst offiziell an den Start geht. Es bündelt vorhandene elektronische Dienste zu einem Portal, an dem ich mich nur einmal anmelden muss und dass mir auf der Startseite die wichtigsten Informationen zusammengefasst anzeigt. Wer möchte, kann sich diese Startseite individuell gestalten.

Seit mehreren Wochen testen Studierende verschiedener Fachbereiche das Portal, nachdem wir die Fachschaften angeschrieben und um Mithilfe gebeten haben. Die Rückmeldungen sind hilfreich kritisch und im Großen und Ganzen sehr positiv. Auch die Vorstellung des Portals in der Kommission für Information und Kommunikation (KIK) verlief erfolgreich. Das heißt: Bald kann es losgehen.

Natürlich freut es uns, wenn das Interesse so groß ist. Aber wir müssen noch ein klein wenig um Geduld bitten. Zwei bis drei technische Problemchen, die beim Umzug auf den Produktivserver aufgetaucht sind, müssen noch bereinigt werden und die wertvollen Anmerkungen der bisherigen Tester müssen noch in Hilfe- und Hinweistexte einfließen. All diejenigen, deren Neugier und Hilfsbereitschaft aber nicht mehr warten kann (und die über einen Uni-Osnabrück-Account verfügen), können sich an kursmanager@uni-osnabrueck.de wenden und einen Zugang als Betatester bekommen.

P.S.: Von gestern bis heute war für ca. 30 Stunden die Beschränkung auf eingetragene Beta-Tester deaktiviert, damit die Mitglieder der KIK Gelegenheit haben, sich selbst ein Bild von myUOS zu machen. Mittlerweile ist die Beschränkung wieder eingeschaltet.

Firefox traut deutschen Unis nicht

Firefox 3 ist da. Feine neue Funktionen und willkommene optische Auffrischung. Für den Einsatz im Umfeld von Forschung und Lehre in Deutschland ist er aber ungeeignet.

Weshalb? Die Reaktion auf ungültige bzw. nicht vertrauenswürdige SSL-Zertifikate wurde – wie schon bei Microsofts Internet Explorer 7 – drastisch verschärft. Bekam der Nutzer früher bei  unbekannten oder falschen Zertifikaten nur eine Warnung angezeigt, die relativ leicht wegzuklicken war, gibt es jetzt eine dramatisch daherkommende Fehlermeldung zu sehen:

Firefox 3 Sicherheitswarnung Stud.IP

Das sieht sehr technisch aus. „sec_error_untrusted_issuer“. Sowas macht Nutzern Angst und riecht meilenweit nach: „Da ist was kaputt!“ Die Lösung wäre: Hinzufügen einer Ausnahme oder Import des richtigen Wurzelzertifikats. Das ist aber für technisch Ängstliche oder Unsichere etwas, das gefährlich und unseriös wirkt und außerdem sind noch 5 Klicks dafür nötig.

Betroffen sind nahezu alle gesicherten Webangebote deutscher Hochschulen und wissenschaftlicher Einrichtungen. Fragt man sich also: Warum passiert das? Warum sind die Unis nicht in der Lage, ordentliche Zertifikate zu benutzen?

Personalisierte Webdienste verschlüsseln in der Regel die Verbindung. Man erkennt das an dem https:// anstelle von http:// in der Adresszeile und einem Schloss, gelb gefärbter Adresszeile u.ä. in ihrem Browser. Verschlüsselte Verbindungen zu benutzen ist etwas sehr Sinnvolles und Wichtiges. Welchen Weg meine Daten von meinem Browser zum Webserver und zurück nehmen, habe ich nicht unter Kontrolle und kann den Rechnern und Leitungen dazwischen nicht vertrauen. Damit niemand mitlauschen, mein Passwort abfangen, in meinem Namen Unug treiben oder meine Daten und Kommunikation ausspähen kann, unterhalten sich Browser und Server also in einer Geheimsprache. Unverschlüsselt surfen ist wie Postkarten verschicken.

Im bösen Internet könnte sich jetzt aber unterwegs ein Server dazwischensetzen und so tun als wenn er meine Uni oder meine Bank wäre. Mit mir und dem Server handelt er jeweils getrennt die Verschlüsselung aus und kann als „man in the middle“ unbemerkt mitlauschen. Damit das nicht passieren kann, will ich wissen: Ist das da wirklich meine Uni? Ist das wirklich meine Bank? Kann ich dem Webserver vertrauen?

Die Frage nach dem Vertrauen führt zu den Zertifikaten. Wenn mir das auf sicherem Weg übermittelt wurde (z.B. durch persönliche Übergabe), kann ich es mit dem vom Server behaupteten vergleichen und sicher gehen: Ja, Identität stimmt. In der Regel werden Zertifikate aber nicht auf sicherem Wege übermittelt. Ich kenne Herrn Ebay ja gar nicht persönlich und Frau Sparkasse ebensowenig.

Also steht im Zertifikat meiner Uni drin: „Wenn du mir nicht glaubst, frag doch den DFN-Verein, der kennt mich und hat bei mir unterschrieben.“ Der DFN-Verein kümmert sich um das Deutsche Forschungsnetz, dem alle Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen angeschlossen sind. Mein Browser kennt aber das Zertifikat vom DFN-Verein auch nicht und muss achselzuckend sagen: „Schön, dass ihr euch kennt, aber DFN-Verein sagt mir nichts.“ Also der Hinweis: „Dann frag doch die Deutsche Telekom, die kennt den DFN-Verein und hat hier unterschrieben.“

Das Telekom-Zertifikat ist ein so genanntes Wurzelzertifikat. Mein Browser sollte es von Hause aus kennen. Der Internet Explorer 7 tut das auch: Keine Fehlermeldungen beim Aufruf verschlüsselter Uni-Angebote also.

Der Firefox kennt das Zertifikat aber nicht. Früher nicht und heute auch nicht. Man kann jetzt lange orakeln, wessen Schuld das ist: Jedenfalls versucht die Telekom seit mehr als einem Jahr die Anerkennung und Aufnahme ihres Zertifikates durch Firefox bzw. die Mozilla Foundation zu erreichen. Der ganze Vorgang ist öffentlich und im Mozilla-Bugtracker in allen Einzelheiten nachzulesen: https://bugzilla.mozilla.org/show_bug.cgi?id=378882

Das Fazit muss also leider lauten: Firefox 3 wird für Unis teuer und für Studierende und Lehrende ein Ärgernis. Jedes Rechenzentrum schreibt wieder Anleitungen dazu, wie die Zertifikate in den Browser importiert werden können. Und bei unserem Support laufen die Telefone und E-Mail-Postfächer heiß: „Stud.IP ist kaputt. Mein Browser zeigt nur noch Fehler an.“

Keynotes, 2. Tag: Gisella Langé – The European Language Portfolio and Websites supporting it

Gisella Langé eröffnet die höchst engagiert vorgetragene zweite Keynote des Tages mit einer Übersicht über die „8 Key Competences for Lifelong Learning“, wie sie die EU definiert hat. Was sind eine „Key Competences„?

Key competences represent a transferable, multifunctional package of knowledge, skills and attitudes that all individuals need for personal fulfilment and development, inclusion and employment. These should have been developed by the end of compulsory schooling or training, and should act as a foundation for further learning as part of lifelong learning.

Im Einzelnen sind dies:

  1. Communication in mother tongue
  2. Communication in a foreign language
  3. Mathematical literacy and basic competences in science and technology
  4. Digital Competence
  5. Learning-to-learn
  6. Interpersonal and civic competences
  7. Entrepreneurship
  8. Cultural Expression

Die Positionen 2., 5. und 8. sieht sie in besonderer Weise als solche, die vom European Language Portfolio berührt werden. Die meisten kennen den Europäischen Referenzrahmen (CEFR), der Sprachkenntnisse in Stufen von A1 bis C2 kategorisiert. Das Language Portfolio ist aber detailliert und gehe somit darüber hinaus. Es besteht aus drei Teilen: „Language Biography“, „Language Passport“ und „Dossier“.

Ich hatte zunächst Probleme mit der Terminologie. Unter einem Portfolio verstehe ich eine persönliche Sammlung von Nachweisen und Dokumenten. Die kann nicht von der EU zertifiziert werden oder offiziell verabschiedet o.ä. Das aber solle mit dem Europäischen Language Portfolio geschehen. Gemeint ist also: Ein Rahmen für Portfolios – Gestaltungsrichtilinien oder Vorlagen, sozusagen. Davon gibt es derzeit schon 95 und 2,5 Millionen Vordrucke wurden bereits in Umlauf gebracht. Das ganze hängt eng mit EUROPASS zusammen und eine beachtenswerte niederländische Vorlage gibt es auch bereits.

Sie räumt allerdings ein, dass das Language Portfolio nicht mit dem Europäischen Referenzrahmen kompatibel ist und noch nicht offiziell unterstützt werde. Für das Portfolio spreche aber, dass damit die Autonomie von Lernern besser unterstützt werde und somit auch die Verbreitung der europäischen Idee vorangetrieben werde.

Schlusswort: Das European Language Portfolio ist ein Change Agent. Und es hilft auch Lehrern, die bei Nutzung und Propagierung der Portfolio-Vorlagen auf deutlich motiviertere Schüler träfen.

Keynotes, 2. Tag: Claudi Dondi – eLearning quality and innovation

Claudio Dondi, Präsident der European Foundation for Quality of E-Learning macht den Anfang. Sehr ausführlich und gründlich arbeitet er heraus, dass Qualität ein sehr relativer Begriff ist. Es komme darauf an, welche Akteure in welchen Sektoren aktiv sind und welche Qualitätsanforderungen die Beteiligten aus ihrer Perspektive mitbringen. Er unterscheidet beim E-Learning subjektive und objektive Qualitätsfaktoren. Objektive sind: Kontext, Quellen und Prozesse. Subjektive: Zugang über einen Anwendungsektor, Rolle innerhalb dieses Sektor (Lehrer haben andere Maßstäbe als Schüler) und Werte bzw. Visionen und Meinungen über die Welt. Dondi unterscheidet dabei so etwas wie die „Civic World“, die „Merchant World“ und die „Industrial World“.

Um in diesem sehr weit gesteckten Rahmen Qualität verlässlich beurteilen und managen zu können, verweist er auf das Seequel Quality Framework. Dieses Framework bietet für den Evaluator oder E-Learning-Entwickler eine Liste gewichtbarer Kriterien. Qualität ist damit ein Verhandlungsprozess: Nach der initialen Positionierung des eigenen Vorhabens im Kriterienraster folgt die Diskussion und Verhandlung über abweichende Einschätzungen, dann die „Explication of visions“, die zu einer „Vision of Quality“ führt. Es folgt die Implementierung und im Rückfluss das Feintunig der vorher formulierten Vision.

E-Learning, führt Dondi aus, könne vieles heißen. Zwischen formalisierung und informell, sowie „abgeschottet“ und „extended learning context“ spannt er ein zweidimensionales Koordinatensystem auf, in dem typische Szenarien verortet werden können: Z.B. E-Learning in Schulen (abgeschottet und formalisiert) gegenüber E-Learning als ein Nebeneffekt von Online-Kommunikation (informell und extended).

E-Learning 2010 sei eher I-Learning: innovative, intelligent, integrated, inter-personal, imaginative, inclusive und insgesamt: I (Ownership of Learning). Damit könne neues Wissen generiert werden, statt nur kontrolliertes Wissen verbreitet; die Rolle des Lehrer werde angereichert und schlussendlich neue Lernergruppen erreicht, die vorher im formalisierten Bildungssystem keinen Platz (mehr) gefunden haben. Gedanken sind sehr schnell,  so Dondi weiter, Trends etwas langsamer und noch langsamer institutioneller Wandel. Daher brauche es noch Zeit, bis I-Learning Alltag ist.

Zum zweiten großen Thema des Vortrags – Innovation – kommt Dondi aus Zeitmangel nur kurz. Der „Human Touch“ sei entscheidend, Innovation ohne Einbeziehung der Betroffenen sinnlos. Innovationsprozesse, Lebenslanges Lernen und Informations- und Kommunikationstechnologie (ICT) sieht er als gegenseitig verbundenes Dreieck, in dessen Mitte E-Learning stehen könne und solle.

Schlusswort: „Innovation can never be imposed.“

LMSe und Portfolios und so

Nach der Pause weiter mit den Parallelsessions. Nach etwas Verwirrung darüber, ob Truls Bohm es rechtzeitig geschafft hat, oder nicht, steht der Fronter-Verkaufsmanager schließlich doch vor dem Publikum. Fronter ist Sponsor der Tagung und der Vortrag darum extra gut beäugt. Alle sollen Standards unterstützen, fordert Bohm und weiß: Die eigene Plattform kann höchstens einen Teil des Life-Long-Learnings begleiten. Für den Rest fordert er nach den „Managed Learning Environments“ (LMS mit Schnittstellen) jetzt „Personal Learning Environments“, um Ergebnisse sammel- und austauschbar zu machen. Als fünfte Generation sieht er Arbeitsumgebungen an, die komplett im Netz liegen. Online-Demo geht wegen technischer Probleme nicht und so bleibt Fronter blass. Wenn ich die Dienste befreien will, kann und muss: Warum und was bringt mir der Fronter Desktop? Die Strategie wirkt etwas halbgar, zumal Drag & Drop allein die Kunden nicht befriedigen wird.

Frids Sarcevichs stellt anschließend preiswerte Selbstbaulösungen für ansonsten teure Hardware vor, wie sie in lettischen Schulen erfolgreich angewandt werden konnte. Interactive Whiteboards (WiiMote-Technik), Thermometer und Sound Labs. Kann man alles selbst basteln! Mein Favorit: Die ausgeschäumten Ballons, in die Lautsprecher eingebaut werden.  Bücher hat das Team um Frids auch geschrieben. Einfach mal die Augen aufhalten nach kreativen Open-Source-Hardware-Lösungen.

Nach der Kaffeepause: Muna Agha und Andrea Payrhuber. E-Learning an der sozialwissenschaftlichen Fakultät der Uni Wien. Die haben nämlich ein Problem: Viel zu viele Anfänger für das erste Studienjahr. (Man munkelt, Fluten von Deutschen auf NC- und Gebühren-Flucht seien mit schuld.) Lösung: Das zweite Semester erreicht nur gut die Hälfte der Willigen. Die Auszusiebenden werden in Einführungsveranstaltungen jetzt mit elektronischen Mitteln versorgt: E-Tutoren betreuen Arbeitsgruppen, stellen ePortfolio-Aufgaben und bereiten auch die frühen Prüfungen vor. Klingt hart, ist aber gut für alle: Weniger Unwillige, die keinen rechten Weg finden, weniger Illusionierte im weiterführenden Studium und letztlich: Für alle klare Vorstellungen von den Inhalten des Studiums.

Johannes Maurek berichtete anschließend von MOSEP: „More Self Esteem with E-Learning Portfolios“. Ziel des Projektes war es, benachteiligten und bildungsfern Herangezogenen Wege zu eröffnen, an der modernen Wissensgesellschaft teilzuhaben. Nach der Vorstellung aller Projektpartner und der Ziele bleib leider nur noch wenig Zeit, das eigentliche Projekt vorzustellen. So blieb als Eindruck: Projekt beendet. Wenige Klassen mit hohem Aufwand mit ePortfolios ausgestattet. Lehrer und Schüler finden: Das war nützlich! Note to myself: Mahara anschauen!

Ana Rurac versuchte sich zum Schluss der Session an einem Vortrag entlang der These, dass ePoretfolios überflüssig und Blogs stattdessen der Weg seien. Diese Argumentation ist ungefähr wie „Warum Diesel? Ich fahr VW.“ Elgg ist ein Blog und Portfolios sind hingegen immer komplett durchstrukturiert. Vielleicht habe ich den Knackpunkt auch übersehen – bei dunkelvioletter Schrift auf mittelviolettem Hintergrund kann das passieren.

Abschließend Workshop I: „Konstruktivistisches Lernen mit Moodle.“ Konstruktivistisch fiel aus. Das stattdessen erläuterte Einloggen als Student hätte ich auch noch aus der Anleitung erschließen können. Bleibt wie immer bei Moodle die Frage: Is that all? So what??

Enter Homo Zappiens – Opening and Keynote Speeches

Jede gute wissenschaftliche Konferenz startet bekanntlich damit, dass die Hymne des Gastgeberlandes gespielt wird und alle ehrfurchtsvoll aufstehen, um, wenn nicht mitzusingen, so doch andächtig zuzuhören. Leider gab heute morgen während der lettischen Hymne das Präsentationsnotebook seinen Geist auf und musste ersetzt werden. So konnte die Hymne erst nach den ersten Grußworten vollständig abgespielt werden. Die europäische gab’s noch hinterher. Herbert Eile, ecoMedia-Netzwerkkoordinator, bemühte dann in seiner kurzen Ansprache in österreichischer Sprache (simultan übersetzt ins Lettische und Englische) auch gleich das Kosmopolitische. Er begrüßte „bildungspolitische Entscheidungsträger aus 24 Nationen“ und forderte die Teilnehmer auf, die Ergebnisse der Konferenz „als Botschaft hinauszutragen in den Kontinent Europa“. Bestens eingestimmt auf Großes also, konnten die gut 100 Teilnehmer dann drei Keynotes lauschen.

ecoMedia, 3rd thematic conference

Andris Ambainis, sympathischer Quantencomputer-Experte und „despite his youth“ offensichtlich lettischer Starwissenschaftler machte den Auftakt mit Überlegungen zu „New Technologies and the Future of Computing“. Wer regelmäßig die c’t-Artikel zu Fortschritten bei Quantencomputern liest, konnte kaum Neues erfahren und auch als allgemeine Einführung in das Thema fehlte ein wenig Struktur. Er konnte aber gut vermitteln: In 20 Jahren könnten Computer ganz anders aussehen als heute und ganz andere Dinge mit Leichtigkeit erledigen – und damit ist nicht bloß neue Apple-Oberflächen (physisch wie virtuell) gemeint. Auf die Frage, WAS denn der einfache Mann von der Straße davon haben würde, wusste er vor allem diplomatisch zu antworten: „Bislang haben sich immer Ingenieure gefunden, die mit mehr Rechenleistung etwas anzufangen wussten.“ Ansonsten hat er mich von Stimme, Akzent und Tonfall her sehr an Peter Sellers als Dr. Strangelove erinnert, vor allem als er als Beispiel die heute übliche verschlüsselte Überrtagung von Kreditkartennummern, z.B. zu Amazon, anführte und grinste: „So if we had a quantum computer, we could break all codes.“

Etwas näher ans Zentrum der Konferenzthemen führte Thomas Maier, Teacher Portal Manager des European Schoolnet. Er berichtete von einer großen Metastudie zum Thema „The ICT Impact Report – A Review of Studies on ICT Impact on Schools in Europe“. Also: Was bringt das ganze Computerzeug in den Schulen eigentlich? Zunächst attestierte er sowohl quantitativen (Wie soll man genau messen, welchen Einfluss ICT neben anderen Einflussgrößen hatte?) als auch qualitativen (Da wird gefragt, wie Lehrer, Eltern und Schüler den Einfluss von ICT in der Schule einschätzen. Stimmt das mit der Realität überein?) Vorgehensweisen methodische Schwächen, konnte aber keine abschließende Lösung präsentieren. Ihr Review berücksichtigt beide Welten. Die Ergebnisse sind insgesamt interpretationsbedürftig. Klar: Es werden Effekte beobachtet, auch positive. Sehr stark z.B. in Grundschulen, vor allem im Muttersprachenunterricht. Whiteboards machen in Englisch, Mathe und Naturwissenschaften besser, aber nur im ersten Jahr. Alle sehen einen positiven Einfluss von ICT. Ich finde: Da muss man nochmal einen genauen Blick in das Review werfen. Maier berichtete weiter, dass 90% aller europäischen Lehrer ICT zur Unterrichtsvorbereitung nutzen, sich deren ICT-skills drastisch verbessert hätten, aber neue pädagogische Konzepte kaum Anwendung finden. Dabei träfen sie auf eine Generation von Schülern, die Blogs, Podcasts und AV-Videokonferenzen ganz selbstverständlich nutzen – im Gegensatz zu Lernplattformen, die kein Schüler verwendet. Höchstens als Dateiarchiv. Nutzergenerierter Content sei die Zukunft, schließt Maier und fordert weitere große Studien und die Aufnahme neuer Kompetenzen in Curricula und Tests.

Die neue Generation von Schülern stand auch im Mittelpunkt von Mikael Anderssons (Swedish Agency for Fleixble Learning) Vortrag mit dem Titel „Enter Homo Zappiens – a new era for ICT and learning“. Er sieht zwischen heutiger Eltern-/Lehrer- und Schülergeneration einen tieferen Graben als zwischen früheren aufeinanderfolgenden Generationen. Schüler seien „digital natives“, Lehrer „digital immigrants“, die den selbstverständlichen Umgang mit neuen Technologien im Gegensatz zu ihren Kindern als etwas Fremdes erleben. Der „Homo Zappiens“ ist gleichzeitig extremer Individualist (What’s in it for me?) und Kollektivist, der Dinge mit anderen teilen will (the MeWe-Game). Außerdem ist er Dividualist, der mühelos zwischen selbstgewählten Identitäten hin- und herswitcht (Pick a ‚me‘). Seine Generation sei völlig von Pippi Langstrumpf korrumpiert. Hätten seine Eltern die nonkonformistische Pippi noch für einen vermittelnswerten Gegenentwurf gehalten, ginge die heutige Elterngeneration bei der Erziehung davon aus, dass die Pippi-Sicht die Norm sei. Zudem hätte sich die berühmte Maslowsche Bedürfnispyramide verschoben. Die unteren Stufen – körperliche Bedürfnisse und das Bedürfnis nach Sicherheit – seien der heutigen Schülergeneration als vollkommen selbstverständlich erfüllt gar nicht mehr im Bewusstsein. Das rückt andere Bedürfnisse wie die nach sozialer Anerkennung und Selbstverwirklichung viel stärker in den Mittelpunkt. Das sei nicht per se „schlimm“, sondern logische Folge unserer Erziehung. Da Schritt zu halten wird schwierig, weil die ICT-Kompetenz mittlerweile auf der „falschen“ Seite liegt. Nicht auf der des Lehrers, sondern der des Lerners. Aufgabe des Lehrers aber sei Bildung zu vermitteln (in Abgrenzung zu Ausbildung – diesen sprachlichen Unterschied gibt es auch im Schwedischen), denn Information ist ungleich Wissen, sondern Wissen ist Information, multipliziert mit Verarbeitungsfähigkeit. Die habe Schule als Rahmen herzustellen.

Danach war die Pause wohlverdient.

ecomedia_pause.jpg