Firefox traut deutschen Unis immer noch nicht

Vor knapp drei Monaten wurde hier über Zertifikatsprobleme mit dem neuen Firefox berichtet: Die von deutschen Hochschulen verwendeteten Webseiten-Zertifikate werden mit bedrohlichen Fehlermeldungen bestraft, weiter kommt nur, wer gefährlich klingende Warnung ignoriert oder umständlich das richtige Zertifikat importiert. Das liegt daran, dass die Unizertifikate vom DFN e.v. (Deutsches Forschungsnetz) ausgestellt werden und der DFN wiederum von der Deutschen Telekom zertifiziert wird, die ein so genanntes Wurzelzertifikat hat, das der Browser eigentlich kennen sollte. Internet Explorer und Opera tun das auch, der Firefox aber (noch) nicht. Der vor im April 2007 angestoßene Anerkennungsprozess zieht sich ohne erkennbaren Fortschritt weiter hin.

Inzwischen gibt es Konsequenzen: Das Rechenzentrum der Uni Köln rät ganz offen vom Firefox 3 ab und empfiehlt Internet Explorer oder Opera.

In der aktuellen c’t (20/08) greift Jürgen Schmidt die neuen Firefox-Verhaltensweisen relativ scharf an und kritisiert die überbewertende Bevorzugung von EV-SSL-Zertifikaten (die im Firefox jetzt mit großem grünen Balken erscheinen, aber fast nur von Banken verwendet werden) sowie „sehr unglücklich gewählten Formulierungen“ bei weiterführenden Informationen.

Schmidts Aussagen zu deutschen Hochschulen sind aber etwas danebengegriffen:

Insbesondere im universitären Umfeld wird viel mit selbst signierten Zertifikaten gearbeitet

Nein! Alle deutschen Hochschule, deren Webangebote ich kenne, bemühen sich intensiv und durch den DFN gut organisiert darum, tadellose Services anzubieten. Gerade deshalb ist die Firefox-3-Telekom-Zertifikats-Problematik (ganz unabhängig von der Schuldfrage) ein ernstes Problem. Immerhin haben Hochschulen in den vergangenen Jahren immer wieder zu Alternativbrowsern wie Firefox geraten – nicht zuletzt aus Sicherheitsbedenken und häufig auch in der Überzeugung, mit quelloffenen Produkten verlässlichere Alternativen für den Lehr- und Wissenschaftsbetrieb zu empfehlen. Schmidts Argument rührt vermutlich von Test- und Projektservern her, die zu Forschungszwecken eingerichtet werden: Die für den Produktivbetrieb vorgehaltenen Angebote deutscher Hochschulen sind aber seit Jahren deutlich professioneller organisiert.

Eine kleine Anmerkung am Rande: In einem Infokasten zeigt der c’t-Artikel das „Zertifikats-Sharing der Fachhochschulen Braunschweig und Wolfenbüttel“ als mögliches Problem. Tatsächlich handelt es sich um eine Hochschule, nämlich die „Fachhochschule Braunschweig-Wolfenbüttel“, die aus Bequemlichkeitsgründen über URLs erreichbar ist, die nur einen der beiden Standorte benennen. Gerade bei Fachhochschulen, die häufig mehrere Standorte haben, kein unübliches Vorgehen. Löst das Problem nicht, wirkt aber mangelhaft recherchiert.

Daher nochmal der Hinweis: Webangebote deutscher Hochschulen, gerade in sicherheitsrelevanten Bereichen, laufen schon seit langem nicht mehr auf Servern, die bei irgendeiner Hilfskraft unter dem Schreibtisch stehen und mit irgendwelchen schludrig ausgestellten Zertifikaten daherkommen. Das Bemühen um Professionalität wird aber durch die aktuelle Firefox-Problematik erschwert und kostet eine Menge Geld (Support, Anleitungen) und vielleicht auch Vertrauen der Nutzer. Das wäre für Firefox und die Hochschulen mehr als schade.

media2mult: virtUOS-Projekt als Titelthema in der c’t

„PDF aus dem Wiki“ steht auf der Titelseite der aktuellen c’t 18/2008 (ab morgen im Handel). Dahinter verbirgt sich ein gleich fünfseitiger Artikel von Martin Gieseking und Oliver Vornberger über ein Projekt des Zentrums für Informationsmanagement und virtuelle Lehre der Uni Osnabrück. Die Ursprünge reichen zu der Frage zurück: Wie entsteht eigentlich optimalerweise ein Vorlesungsskript, das zugleich auch online verfügbar ist? Prof. Vornberger hatte dazu bereits seit langem mit einem Konvertierungssystem namens mas2tex experimentiert: Aus einer einzigen und relativ simplen Auszeichnungssprache werden mit hohem Qualitätsanspruch Online- und Offline-Inhalte generiert. media2mult – der Name des neuen, Wiki-basierten Systems – vereinfacht die Erstellung nochmals und eröffnet neue Möglichkeiten.

Klar, LaTeX, Word und Konsorten können auch HTML oder PDF oder anderes generieren. Aber dabei wird zumeist nur eine kleine Teilmenge der jeweiligen Möglichkeiten unterstützt. Online-Inhalte bieten: Aktive Links, Multimedia-Elemente wie Videos und Audios oder gar interaktive Elemente wie Formulare, Gästebücher, Notizbuchfunktionen. Gute druckbare Dokumente haben ein professionelles seitenbasiertes Layout, ein automatisch generiertes Inhaltsverzeichnis und andere Referenzen und Querverweise. Der Clou bei media2mult liegt in medienabhängigen Konvertierungsroutinen. Ein eingebundenes Video wird im Web als Video, im Druck als Vorschaubild ausgegeben, eine per gnuplot beschriebene Funktion live und in der richtigen Auslösung geplottet, eine Audiodatei wird für den Druck mit einem beschreibenden Ersatztext ersetzt.

Das epolos-Teilprojekt „Autorensysteme“ hat im virtUOS eine lange Geschichte. Bereits 2002 haben wir darüber diskutiert: Wie wollen und können Lehrende möglichst einfach aber gleichzeitig flexibel Vorlesungsskripte erstellen und immer wieder überarbeiten? Ein Diskussionskern: WYSIWYG oder nicht? Kann man Dozenten zumuten, XML zu schreiben? Herausgekommen ist ein entschiedenes Jein! Wikis im Sinne simpler Conten-Management-Systeme bieten eine schnelle Vorschau, sind aber im Bearbeitungsmodus an eine einfache und logische Auszeichnungssprache gebunden. XML ist daraus leicht ableitbar, wird aber nicht von den Autoren selbst geschrieben.

So ist mittlerweile ein großer Zoo an Wiki- und media2mult-Anwendungen entstanden. Unser bevorzugtes Wiki-System ist PmWiki – trivial zu installieren, einfach zu erweitern und umfassend gestaltbar. Große E-Learning-Projekte wie English Language and Linguistics Online (ELLO) oder Mediale Produktion (Medida-Prix-Finalist 2008)  verwenden PmWiki, ebenso die virtUOS-Webseite, die Stud.IP-Online-Hilfe, die Wikifarm für die 140 allgemeinbildenden Schulen in Stadt- und Landkreis Osnabrück. Für alle gilt: Primär sind die Angebote für das Web gedacht und mit interaktiven Features angereichert. Suchfunktionen, interaktive Quizzes und Fragen zur Selbstüberprüfung, enge Anbindung an Stud.IP mit Rechtekontrolle. Aber dank media2mult können all diese Angebote auf einen Klick auf ein attraktives PDF-Dokument generieren. Oder einen HTML-Baum, der auch eine CD-Rom gepresst werden kann. Oder, oder, oder: Die Grenzen der Phantasie sind hier längst noch nicht ausgelotet.

Auch der umgekehrte Weg ist erfolgreich: Manchmal steht das gedruckte Produkt als Ziel im Vordergrund, auf dem Weg dahin sind aber viele Autoren beteiligt. Das Stud.IP-Dozentenhandbuch ist von Dutzenden Autoren in einem Wiki erstellt worden. In vielen Seminaren und anderen Lehrveranstaltungen an Uni und FH Osnabrück  werden die Studienarbeiten im Wiki erarbeitet und dann auf Knopfdruck in ansprechendem Drucksatz ausgeworfen. An Schulen beginnen derzeit die ersten Schülerinnen und Schüler, Ihre Studienarbeit im Wiki zu schreiben. Dadurch können Lehrer besser und früher coachen und Tipps geben und das Endergebnis ist fertig, wenn der Text fertig ist: Kein Rumfummeln mit Word und Co. in einer durchgemachten Nacht vor Abgabeschluss.

Cross-Media-Publishing wird durch die Verbindung von Wiki und media2mult-Konvertierungswerkzeugen auf eine neue Ebene gehoben. Nicht mehr die kleinste gemeinsame Teilmenge der Medien wird bestimmend, sondern die Autoren können mit einem Quelldokument die Möglichkeiten optimal ausnutzen. Das Basisprinzip Wiki macht zudem schon den Erstellungsprozess flexibler: Viele können mitarbeiten und das im Wachsen begriffene Dokument ist gleichzeitig eine Web- und E-Learning-Anwendung. Diese Vielfalt erfordert aber auch sorgfältige Planung und Steuerung. Die Erfahrungen zeigen: Für fast jedes Szenario lassen sich gute und einfach handhabbare Lösungen mit wenig Aufwand umsetzen.